Oberhausen..
Auf dem ehemaligen Betriebshof am Kanal, auf dem Spaziergang zum Stadion und auf der Tribüne sitzend erlebten die Zuschauer Karsten Dahlems Inszenierung der Theaterfassung des Jugendromans „Tschick“. Nach seinem Erfolgsstreich mit „Frühlings Erwachen“ lag die Latte bereits sehr hoch. Dem Regisseur gelang es mit fantastischen Ideen, sie noch einmal locker zu überspringen. Das Premierenpublikum war angetan und höchst beeindruckt.
Im geklauten Lada unterwegs
Fesselnd, anrührend und spannend wird der Ausbruch der beiden 14-jährigen Maik (Eike Weinrich) und Tschick (Sergej Lubic) aus ihrem normalen Jungenleben lebendig und zieht den Zuschauer mit hinein ins Geschehen, ständig schwankend zwischen Tragik und Komik. Zwei junge Außenseiter, die unterschiedlicher kaum sein können, bestärken sich gegenseitig etwas Ungeheuerliches zu wagen: Im geklauten Lada machen sie sich auf in die Walachei. Wie es dazu kam, ja, eigentlich ganz logischerweise kommen musste, erzählt Maik. Eike Weinreich macht das so unglaublich Jugend-authentisch, dass man ihn ständig umarmen trösten und dann doch lieber aufmunternd abklatschen möchte. Alles, seine Gestik und Mimik, die Art, wie er steht oder sich bewegt, ist pubertierender Junge, gefrustet von einer kranken Familie und unerfüllten Sehnsüchten. „Es gab keinen Ausweg, bis ich ihn kennen lernte.“ Ihn, Tschick. Vom Elan, der Maik fehlt, besitzt er eine gute Portion zu viel. Sergej Lubic spielt ihn ebenfalls glänzend. Er schafft es zu zeigen, wie der aus Russland stammende Junge durch extremes Getue versucht, seinen weichen Kern zu verstecken.
Die dritte tolle schauspielerische Leistung gelingt Anja Schweitzer, die Maiks alkoholsüchtige Mutter gibt. Die Ausweglosigkeit dieser Person, die ihren Sohn eigentlich liebt, es jedoch nicht schafft, es ihm zu zeigen, geht unter die Haut, lässt den Zuschauer mit leiden.
Hölzern und unlebendig erscheint dagegen Martin Müller-Reisinger als Maiks Vater, der außerdem den Polizisten so spielt, als entspringe er einer Kasperlebühne. Die Mädchenfigur (Angela Falkenhan) bleibt eher blass. Was Isa antreibt und bewegt, ist dem Regisseur offensichtlich weniger wichtig, was schade ist.
Großartig hingegen sind die technische Raffinesse der Inszenierung durch Einsatz von Kopfhörern sowie die geschickte Nutzung des Spielraumes. Das ganze Stadion wird zur Bühne. Es ist fantastisch zu erleben, wie sich Maik und Tschick auf dem Spielfeld balgen oder es im Lada umrollen.