„Die Graugans als Figura Christi? Warum nicht?“ Die vom Komponisten Heinrich Poos im Nachwort zu seinem 2012 entstandenen Werk „Abgesang“ gestellte scheinbar blasphemische Frage wird verständlich im Sinnzusammenhang dieses Werkes, das drei Chöre nach Texten von Bert Brecht zu einem „tripartiten Flügelaltar“ zusammenfasst.
Dessen Mittelstück bildet „Die haltbare Graugans“ als Bild für die Unsterblichkeit der Seele zwischen den Seitenstücken „Vergänglichkeit und Vergeblichkeit“ („Das Lied vom Rauch“ und „Das Lied vom Sankt Nimmerleinstag“). In der Matinée des Oberhausener Künstlerfördervereins wurde das Werk in Anwesenheit des Komponisten uraufgeführt.
Dem Collegium Vocale Bochum unter Leitung von Hans Jaskulski gelang es dabei ausgezeichnet, neben dem balladenhaft rezitierenden Element vor allem eine lapidare, von Altersweisheit gemilderte hintersinnige Ironie auf den Punkt zu bringen. Das Gleiche gilt für die Wiederholung der 2010 ebenfalls in Oberhausen uraufgeführten „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“, welche die Wahrnehmung vieler beim ersten Hören noch nicht realisierter Details ermöglichte.
Brahms’ Quartette
Eingerahmt wurden die Poos-Stücke von Brahms´ Quartetten für vier Singstimmen und Klavier und den „Zigeunerliedern“, gewissermaßen vokalen Gegenstücken zu den berühmten „Ungarischen Tänzen“, in ihren wechselnden Stimmungen ausdrucksvoll gestaltet.
Jona Kümper begleitete die Chorsätze nicht nur einfühlsam und dezent am Flügel, sondern zeigte auch in einigen Schubert-Stücken, dass er dessen Frage „Kennen Sie fröhliche Musik?“ voll verstanden hatte: Melancholie in der Melodienseligkeit, selbst noch im scheinbaren Auftrumpfen, harmonische Rückungen als Rückzug in eine andere Welt. Tief bewegend der langsame Satz aus der posthumen B-Dur-Sonate: Schuberts Requiem, wie ins Jenseits hineinmeditiert, fast etwas stark für ein locker gestimmtes Matinée-Publikum, aber doch auf sublime Weise passend zu Poos´ Gesängen von der Vergänglichkeit.