300 Referendare werden im Oktober vor der Prüfung und der Frage stehen: Muss ich mich arbeitslos melden? Es gibt schon jetzt kaum Stellen für sie. Die schulpolitische Sprecherin der örtlichen CDU, Simone-Tatjana Stehr, kennt die Sorgen der Referendare, denn sie bildet sie aus. Sie sieht eine fatale Fehlplanung der Landesregierung.

Frau Stehr, warum brauchen wir plötzlich keine neuen Lehrer mehr?
Simone-Tatjana Stehr: Natürlich brauchen wir sie. Ich kenne keinen Schulleiter in Oberhausen, der nicht wüsste, wie er mehr Lehrer im Schulbetrieb einsetzen könnte. Die schlechte Situation für Referendare ist das Ergebnis einer totalen Fehlplanung der Landesregierung und passt nicht zum gleichzeitigen Anspruch für mehr Bildung sorgen zu wollen.

Wofür zum Beispiel?
Um beispielsweise Inklusion, also das gemeinsame Lernen von Behinderten und Nichtbehinderten, zu ermöglichen, um die Ganztagsschule pädagogisch sinnvoll zu gestalten. Denn selbst gestandene Lehrer stehen bei der Umsetzung häufig vor vielen Fragen.

Vor Jahren hat man Quereinsteiger angeworben und die Ausbildung um ein halbes Jahr verkürzt, weil das Land schnell Lehrer brauchte. Rächt sich das nun?
Die Entscheidung der Verkürzung war ganz sicher richtig. Man lässt die Referendare nur jetzt mit offenem Visier in die Arbeitslosigkeit fahren. Das Land riskiert damit, dass gut ausgebildete Menschen in andere Bundesländer abwandern. Aus politischer Sicht verstehe ich das nicht: Diese Ressourcen müssen hier bleiben, denn in den nächsten Jahren gehen viele Lehrer in den Ruhestand.

Gesucht werden besonders Naturwissenschaften, studiert wird aber oft nach Neigung. Ist man dann nicht selbst verantwortlich, wenn man keine Stelle findet?
Nicht unbedingt. Das Land könnte durchaus mehr Türen öffnen und Anreize bieten, Mangelfächer zu studieren. Manchem Schulabgänger ist vielleicht nicht klar, dass er durchaus etwa Mathe oder Physik unterrichten könnte.

Die Ausbildung wurde verkürzt, ist sie wirklich schwerer geworden?
Sie war schon immer stressig, aber der Druck durch die kürzere Ausbildungszeit ist enorm gestiegen. Wer nicht das entsprechende ‘Gepäck’ mitbringt, und viel an sich arbeiten muss, hat es deutlich schwerer. Dabei ist es zwar richtig, in der Ausbildung mehr Wert auf die Praxis zu legen, aber man darf damit nicht fehlende Stellen an Schulen ausgleichen. Referendare müssen heutzutage viel zu früh allein unterrichten, ohne dass sie eine Rückmeldung bekommen und die Qualität gesichert werden könnte. Aus meiner Sicht ist das falsch. Das Land muss als Ausbilder deutlich mehr Fürsorge tragen.

Gibt es einen Weg aus der Misere?
Für Bildung braucht man Geld. Das Land sollte die neuen Lehrkräfte jetzt für Innovation und Weiterentwicklung von Schule einsetzen. Zudem müsste das Lehrer-Image besser gepflegt und attraktiver dargestellt werden. Zu oft stehen nur die negativen Seiten, etwa die Belastung, im Vordergrund.

Das Interview führte WAZ-Journalist Dennis Vollmer.