Oberhausen.
Tausende Schaulustige verfolgten, filmten und fotografierten am 13. August 1994 die Sprengung des Stahlbeton-Speichers im Duisburger Innenhafen, der seiner von der Firma Mr. Softy genutzten unübersehbaren Werbefläche den Namen „Milchtüte“ verdankt hatte.
Kaum jemanden interessierte hingegen die Demontage von Keith Harings Skulptur „Head Through Belly“ (Kopf durch Bauch) und ihr Abtransport in die französische Hauptstadt. „Ein Trauerspiel, ich hätte mehr Leute erwartet“, sagt Ortwin Goertz, Vorsitzender des Oberhausener Kunstvereins. Er hat die Aktion mit der Kamera festgehalten. „Eigentlich wünschte ich dem Team der Kunsttransportfirma, es möge scheitern“, gibt er zu. „Ich hoffe, ihr werdet sie nicht vom Sockel gehoben bekommen“, habe er zu den französischen Monteuren gesagt. Die hätten sogar Verständnis für seine Äußerung gezeigt und bestätigt: „Wir können Sie verstehen. Sie gehört hier hin.“
Beinahe hätte sich der Wunsch des Scheiterns erfüllt. Denn: Die Steckverbindungen, mit denen die Skulptur auf dem Fundament befestigt war, erwiesen sich als äußerst haltbar. „Sie haben der Figur die Beine abgefräst, und das ist eine Teilzerstörung“, empört sich Kunstliebhaber Ortwin Goertz.
Aufbau dauerte 14 Tage
Wie keinen anderen Bürger unserer Stadt schmerzt Goertz dieser Kunst-Verlust für Oberhausen, „aufgestellt auf der Kulturachse zwischen Schloss und Gasometer“. Denn Goertz war es, der sie auf dem Gelände des Kunstsammlers und Galeristen Hans Mayer bei Krefeld bereits sah, als sie noch danieder lag, von Erde bedeckt, aufgebahrt auf einer Holzkonstruktion. Goertz: „Nur der Kopf und die Füße guckten raus. Viele Jahre hatte Mayer sie dort gelagert. Da war mir sofort klar: Die holst du nach Oberhausen.“ Im Rahmen der Ausstellung „Made in USA“, die im Januar 2002 in der Ludwig-Galerie eröffnet wurde, „als Jahresausstellung des Kunstvereins“, wie Goertz betont, ist ihm das damals gelungen. „Die Feuerwehr, OGM und Babcock haben uns geholfen. Zwei Tieflader haben sie antransportiert, der Aufbau dauerte 14 Tage“, erinnert sich Goertz. „Für mich steht sie für Aufbruch, für die Veränderung im Ruhrgebiet und für den starken Willen“, den der Läufer symbolisiere: „Ich muss da durch!“
Geschätzter Wert von zehn Millionen Euro
Auf den Wert der Skulptur anspielend – damals geschätzt auf drei Millionen DM – habe der damalige Oberbürgermeister Burkhard Drescher zu ihm gesagt: „Um die zusammen zu bekommen, musst du lange mit der Sammelbüchse durch die Stadt laufen“. Heute sagt Goertz: „Hätte ich das doch getan.“ Immerhin: Dem Boom der Pop-Art und den ausgeuferten Preisen auf dem Kunstmarkt sei Dank, schätzt man „Head through Belly“ heute auf zehn Millionen Euro.
Wie der Kulturdezernent Apostolos Tsalastras plant Goertz einen Besuch der Haring-Retrospektive in Paris, die vom Museum für Moderne Kunst und dem Studio 104 in der Rue d’Aubervillieres vom 19. April bis zum 18. August gezeigt wird. Dann kann er prüfen, ob die Zerlegung der Skulptur für den Transport Spuren hinterlassen hat. Die war übrigens auch deshalb notwendig, weil „Head through Belly“ in einer Ausstellungshalle gezeigt wird, durch deren Tür sie sonst nicht gepasst hätte.