Oberhausen. Der Holtener Wolfgang Hülsermann ärgert sich über den Kanal-TÜV. Nebenan würden tonnenweise Gülle verteilt - die Verschmutzung sei viel größer.
Die Diskussion um den Kanal-TÜV, das darf man wohl sagen, stinkt Wolfgang Hülsermann gewaltig. Wie viele Hausbesitzer ärgert sich der Holtener darüber, dass er künftig hohe Summen für absolut dichte Kanalrohre auf seinem Grundstück bezahlen könnte, damit aus den Rohren möglicherweise austretendes Abwasser nicht ins Grundwasser gelangt. Noch mehr stört die Vorgabe Hülsermann aber, weil er auf den landwirtschaftlich genutzten Nachbargrundstücken seines Holtener Hauses eine größere Verschmutzungsgefahr sieht: Dort wird mehrmals im Jahr Gülle in großen Mengen abgeladen – von auswärtigen Firmen.
„Warum wird um den einen Liter Urin, der vielleicht im Jahr durch ein undichtes Abwasserrohr austritt, so ein Theater gemacht, wenn direkt nebenan tonnenweise Gülle aufs Land kommt?“, fragt Hülsermann. Er betont: Mit den Bauern verstehe er sich gut – doch die Gülletransporte stünden in keinem Verhältnis zum möglichen Riss im Abwasserrohr.
Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer, sieht das anders: „Was der Bauer auf den Acker fährt, wird genau kontrolliert. Beim Kanal ist das nicht der Fall. Da sind die Kontrollen noch in der Steinzeit.“
Gülle, sagt der Fachmann, sei per se nichts Schlechtes. „Das ist kein Müll und hat auch nicht mit Massentierhaltung zu tun. Gülle ist nichts anderes als Stallmist, ein Wirtschaftsdünger.“ Die darin enthaltenen Nährstoffe würden von den Pflanzen aufgenommen – „dafür wird ja gezahlt“. Ist der Boden aber überdüngt, gelangen Phosphat und Nitrat ins Oberflächen- oder Grundwasser. „Das ist das eigentliche Problem“, sagt Rüb. „Antibiotika, die in Übermengen an Masttiere verfüttert wurden, sind dagegen nicht die Regel.“
Landwirte führen Buch über Gülle
Jeder Landwirt muss über die Gülle auf seinen Feldern Buch führen. Jährlich würden Bodenproben auf den Feldern genommen, sagt Rüb, kontrolliert werde auch, dass jeder Landwirt, der Gülle produziert und damit handelt, dies bei der Kammer anmeldet. Es gelte strenge Sperrfristen einzuhalten. Bei Verstößen drohen Bußgelder und – was die Bauern stärker trifft – Abzüge bei EU-Subventionen.
Der als „Gülletourismus“ verschriene Handel mit Gülle sei durchaus erlaubt, sagt Rüb – auch über die Grenzen hinweg mit den Niederlanden. Geregelt wird dies etwa in der NRW-Verbringungsordnung.
Andreas Klapheck ist Landwirt in Holten. Ihm gehören einige Felder, auf denen zuletzt Gülle verteilt wurde. 20.000 Liter pro Hektar waren das im März. Ein Gärsubstrat, das aus einer Bottroper Biogasanlage kommt, kam aufs Land, sagt Klapheck, „Dazu kommt noch Mist aus einem eigenen Betrieb.“ Klapheck besitzt rund 25 Rinder.
Den Vergleich Kanal-TÜV gegen Gülle findet der Landwirt mit Blick auf seine hohen Auflagen nicht berechtigt – ein großer Fan von der Dichtheitsprüfung ist er aber auch nicht: „Die Politik sollte eher dafür sorgen, dass nicht wieder eine Ölplattform das Meer verschmutzt.“