EU bringt Stadt in Zugzwang: Um die Schadstoffbelastung zu senken soll der Verkehr auf der Hauptschlagader drastisch reduziert werden
Die Oberhausener Hauptverkehrsader Mülheimer Straße soll schnellstmöglich ganztägig für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Diese Empfehlung gibt ein Gutachten zum Luftreinhalteplan, das im Auftrag des Umweltdezernates der Stadt erstellt wurde. Zudem soll der Verkehr auf der Straße um ein Drittel reduziert werden, von heute 40 000 Autos täglich, auf maximal 27 000 Fahrzeuge pro Tag. „Wir haben diesem Thema zu lange nicht die notwendige Beachtung geschenkt. Durch den Druck der EU kommen wir jetzt in Zugzwang“, erklärt die zuständige Umweltdezernentin Sabine Lauxen die Dringlichkeit.
Umweltzone reicht nicht aus
Um die Schadstoffbelastung zu senken und damit Vorgaben der Europäischen Union zu erfüllen, muss die Stadt Anstrengungen zur Luftreinhaltung unternehmen. „Alle bisher getroffenen Maßnahmen, wie etwa die Einführung der Umweltzone oder zeitlich begrenzte Fahrverbote, haben viel gebracht, reichen aber noch nicht aus“, erklärt Helmut Czichy, Leiter des städtischen Umweltamtes.
Eile ist geboten: Bis zum Jahr 2015 muss Deutschland die Grenzwerte bei Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) einhalten, sonst droht eine Vertragsverletzungsklage der EU vor dem Europäischen Gerichtshof. Hohe Strafzahlungen könnten dann auch an Kommunen weitergegeben werden. Der Stadt Düsseldorf, die ebenfalls Probleme mit der Luftverschmutzung hat, wurde vor wenigen Tagen eine Fristverlängerung verweigert.
Sabine Lauxen räumt ein, dass die Umsetzung bis 2015 nur schwerlich gelingen kann. Bereits bis Mitte Februar wurden an acht Tagen die zulässigen Feinstaub-Grenzwerte an der Mülheimer Straße überschritten. Maximal zulässig sind im gesamten Jahr 35.
Um diese Zielmarke zu erreichen, also den Gehalt an Feinstaub und Stickstoffdioxid in der Luft deutlich zu senken, ist ein „einschneidendes“ Maßnahmenpaket vonnöten. Ein Teil davon ist das komplette Durchfahrtverbot für Lkw über 3,5 Tonnen. „Die Logistiker haben dadurch aber nur einen Umweg von einigen Minuten zu erwarten“, gibt Lauxen die Ergebnisse des Gutachtens wieder. Auf einer Strecke von gut zwei Kilometern zwischen der Kreuzung Mülheimer-/Danziger Straße und der Kreuzung Mülheimer-/Essener Straße soll nur noch zeitweilig Lieferverkehr zugelassen werden.
Bei der Umsetzung der strengen EU-Richtlinien zur Luftreinhaltung will Umweltdezernentin Sabine Lauxen den öffentlichen Nahverkehr stärken und die Nutzung des Fahrrades fördern. Angesichts der leeren Kassen in Oberhausen und den Sparzwängen bei der Stoag sieht Umweltamtsleiter Helmut Czichy die EU in der Pflicht. „Es kann nicht nur um die Verschärfung von Vorschriften gehen. Brüssel muss beim ÖPNV mehr tun und Mittel bereit stellen.“ Zumal Oberhausen nicht als einzige Stadt in Europa vor diesen Herausforderungen stehe. „Ähnlich wie im Agrar-Bereich, könnte die EU hier lenkend einwirken“, ergänzt Lauxen.
Lauxen weiß aber auch: „Man kann in der Verwaltung die schönsten Pläne ausarbeiten, ohne Bürgerbeteiligung geht es aber nicht“, rechnet sie mit Diskussionen in Oberhausen. Deshalb will die Dezernentin mit den Bürgern in einen Dialog eintreten. „Wir wollen Alternativen aufzeigen, etwa dass nicht jeder Weg mit dem eigenen Auto zurückgelegt werden muss.“ Wenn man nicht zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zum Ziel komme, dann könnten kurze Strecken mit dem Taxi oder einem Wagen aus einem Car-Sharing-Angebot deutlich günstiger zurückgelegt werden.
Sabine Lauxen sieht sich dabei nicht als „grüne Umweltfanatikerin“, sie macht deutlich: „Wir wollen niemandem das Autofahren verbieten.“ Da aber weder die Einführung der Umweltzone noch das bisher geltende teilweise Durchfahrtsverbot für Lkw über 3,5 Tonnen ausgereicht haben, der zu hohen Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung Herr zu werden, müssten nun stärkere Maßnahmen ergriffen werden.
„Man kann nicht wie bisher weitermachen“
„Will man die Gesundheit der Anwohner schützen und die Lebensqualität im Bereich der Mülheimer Straße steigern, kann man nicht wie bisher weitermachen“, erklärt sie ihren Vorstoß. Auch in der Politik müsse man nun „unbequeme“ Diskussionen führen. „Unabhängig von der Parteizugehörigkeit gilt es jetzt zu beweisen, dass man sich diesen Zielen verpflichtet fühlt.“
Mit Blick auf die bisher vergeblichen Bemühungen, die Grenzwerte an der Mülheimer Straße einzuhalten, beklagt Umweltamtsleiter Czichy zudem eine mangelnde Einsicht bei den Unternehmen: „Viele Logistiker scheinen eine Ordnungsstrafe in Kauf zu nehmen und fahren weiter über die Mülheimer Straße, um einige Minuten einzusparen.“ Immer wieder fallen Lastwagenfahrer bei gemeinsamen Kontrollen von Ordnungsamt und Polizei auf.