Immer mehr Kinder in Oberhausen müssen aus ihren Familien geholt werden, um sie vor Gewalt und Vernachlässigung zu schützen. Wie das Statistische Landesamt (it.nrw) mitteilt, mussten Mitarbeiter des Jugendamtes nach den aktuellsten Zahlen im Jahr 2011 in 161 Fällen eingreifen. 2010 dagegen war ein Einschreiten nur 85 Mal geboten.
„Der Rückschluss, dass Oberhausener Eltern plötzlich schlechter für ihre Kinder sorgen, lässt sich aus diesen Zahlen aber nicht ziehen“, betont Jugendamtsleiter Klaus Gohlke. Denn im fraglichen Zeitraum zwischen den Jahren 2010 und 2011 habe es auch eine Umstellung der Statistik gegeben. „Bis dahin wurden die Fälle von Hand gezählt und zusammengetragen.“
„Inzwischen wird nichtmehr weggeschaut“
Dennoch sei ein Trend erkennbar. „Die Zahl der Familien, die Probleme bei der Erziehung haben steigt. Wir wollen die Familien in die Lage versetzen, dass sie ihrem Erziehungsauftrag nachkommen können“, so Gohlke. „Durch Präventivarbeit, etwa in den Familienzentren, setzen wir als Jugendamt früh darauf die Familien zu unterstützen.“
„Die Menschen sind sensibler geworden. Inzwischen wird nicht mehr weggeschaut“, erklärt Björn Ladeur, zuständige Fachkraft im Jugendamt, einen Teil dieser Steigerung. „Wir bekommen mehr Hinweise, in welchen Familien es Probleme gibt.“ Das können Mitteilungen durch Nachbarn oder Lehrer sein. Auch Übungsleiter in Sportvereinen werden aktiver, mögliche Misshandlungen zu melden
Das liege auch an der größeren Öffentlichkeit der Themen Kindesmissbrauch und Vernachlässigung. Nach Fällen wie denen des kleinen Kevin, der im Alter von zweieinhalb Jahren in Bremen aufgrund ständiger Gewaltanwendung durch seinen Ziehvater starb, sei ein anderes Bewusstsein da.
Die zeitweilige Herausnahme eines Kindes aus der Familie könne jedoch immer nur der letzte mögliche Schritt sein, wenn alle anderen Hilfsangebote bisher nicht zu einer Verbesserung geführt haben. Zudem müsse sie von einem Richter angeordnet werden. „Laut Sozialgesetzbuch ist die Jugendhilfe verpflichtet, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen“, erklärt Ladeur. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür, Kinder aus ihren Familien zu holen, sind eng gesteckt. „Leib und Leben des Kindes müssen in Gefahr sein.“ Im Zweifelsfall stehe dadurch das Kindeswohl über den Wünschen der Eltern. Das Ziel müsse aber jedes Mal sein, dass die Kinder später wieder in die Familie zurückkönnten.