In Oberhausen brechen erheblich weniger Jugendliche ihre Ausbildung ab, als es die bundesweiten Zahlen des Bundesinstituts für Berufsausbildung (BiBB) vermuten lassen. Während nach dem jüngsten BiBB-Bericht 2011 in Deutschland jeder vierte Lehrling (24,4%) die Ausbildung vorzeitig schmiss, liegen die aktuellsten Quoten der für Oberhausen zuständigen Kreishandwerkerschaft und der Industrie- und Handelskammer (IHK) deutlich darunter. Sie betragen demnach 17,8 und 8,1 Prozent.

„Die Unternehmen bieten den Auszubildenden ein Höchstmaß an Unterstützung an. Denn vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels können sie sich Abbrecher eigentlich nicht leisten“, sagt Heinz-Jürgen Guß, stellvertretender Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK. Er vermutet, dass sich die Zahlen anderer Wirtschaftszweige negativ auf den aktuellen BiBB-Bericht niedergeschlagen haben.

Nach den Statistiken von IHK und Kreishandwerkerschaft weisen in Oberhausen nur einzelne handwerkliche Ausbildungsberufe wie etwa das Friseurgewerbe drastisch hohe Abbrecherzahlen auf. Dort beispielsweise bringen 37,8 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre nicht zu Ende – also mehr als jeder dritte.

Mitunter spielen Allergien eine Rolle

„Diese Quote kommt aber deshalb zustande, weil Friseure auch viel mehr ausbilden als andere Betriebe“, ordnet Kreishandwerksmeister Jörg Bischoff die Ausreißer-Zahlen ein. „Möglicherweise spielen auch Allergien gegen bestimmte Arbeitsmittel eine Rolle“, fährt er fort. „Und für manchen entpuppt sich der Beruf dann doch als anstrengender als zunächst angenommen.“ Eine dürftige Bezahlung könne hingegen nicht als Ursache angeführt werden. Bischoff: „Darüber weiß man doch vorher Bescheid.“

Für Henrike Greven, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim-Oberhausen, hängt die Abbrecherquote generell weniger mit der Branche als mit Struktur und Arbeitsklima in den Betrieben zusammen. „Dort, wo es Betriebs- und Personalräte gibt, wird sich in der Regel mehr um die Auszubildenden gekümmert als anderswo“, erklärt sie. „Ein junger Mensch, der nur als billige Arbeitskraft ausgebeutet und nicht ausgebildet wird, denkt naturgemäß viel schneller über einen Abbruch nach.“

Dass die Auflösung eines Ausbildungsvertrag nicht zwangsläufig etwas Negatives sein muss, verdeutlicht IHK-Experte Heinz-Jürgen Guß an einem Beispiel. „Es gibt ja auch den jungen Mann, der drei Monate nach Ausbildungsbeginn doch noch den ersehnten Studienplatz bekommt.“ Guß betont dabei, dass ein großer Teil der Ausbildungen während der Probezeit abgebrochen wird – bei der IHK in Oberhausen waren es 57 der insgesamt 143 unvollendeten Lehren. „In dieser Phase ist das manchmal legitim und richtig. Denn wenn es einfach überhaupt nicht passt, hat es auch für das Unternehmen keinen Sinn, jemanden über Monate hinweg durchzuschleppen.“

Kreishandwerksmeister Bischoff plädiert derweil für eine differenzierte Betrachtung der Ursachen. „Im Prinzip muss man sich jeden Fall einzeln angucken.“ Die Bandbreite der Beweggründe für einen vorzeitigen Abschied aus der Lehre reichten von falschen Vorstellungen („Der Metzgerlehrling merkt plötzlich, dass er kein Blut sehen kann“) über Disziplin-Defizite bis zu vielschichtigen persönlichen und sozialen Problemen. Und zumindest für den letzten Punkt hat Bischoff auch direkt einen Lösungsansatz parat – adaptiert vom Leiter der Hans-Sachs-Berufskollegs, Marc Bücker: „An jeder Berufsschule sollte es einen Sozialarbeiter als neutrale Ansprechperson geben.“