22 Siedlergemeinschaften gehören in Oberhausen zum Verband Wohneigentum. Vom Notnachbarn zum Eigenheimer.

Es gibt Vermieter, Hauseigentümer, Häuslebauer – und eine besondere Sorte Eigenheimer, die auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken kann: Siedler. Die meisten Oberhausener Siedlergemeinschaften sind im „Verband Wohneigentum” zusammengeschlossen. Der hat – unter anderem Namen – ab 1919 schon beraten und geholfen.

Um die Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg zu lindern, wurde das Reichssiedlungsgesetz erlassen. Wer siedeln wollte, musste Auflagen erfüllen, vor allem der Anbau von Obst und Gemüse sowie die Kleintierhaltung waren Pflicht. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren Wohnungen knapp, war alles zerstört. Das einzige, was viele Menschen noch hatten: die eigene Muskelkraft. So bauten sie selbst, auf Grundstücken, die die Stadt zur Verfügung stellte.

„Das nannte sich ,Muskelhypothek'”, sagt Horst Tiefenbach, 1. Vorsitzender im Verband Wohneigentum Ruhr-Niederrhein. Der Trick: Niemand wusste im Voraus, welches Haus ihm später gehören wird – damit überall gleich sorgsam gearbeitet wurde. Das gemeinsame Schuften auf dem Bau schweißte die Menschen zusammen. „Dadurch war der Zusammenhalt groß”, sagt Geschäftsführer Detlef Erm. „Heute sind Bauherrn Individualisten.” Nicht nur, dass man einander kannte, es gab auch nachbarschaftliche Sicherungssysteme wie den „Notnachbarn”.

Der Verband Wohneigentum, der Deutscher Siedlerbund hieß, hatte damals andere Aufgaben. Kontakte zu Behörden zu knüpfen zum Beispiel, bei der Finanzierung zu helfen und – vor allem – die Beratung wegen des Gartens. Schließlich hatte jeder auf seinem 800 bis 1000 Quadratmeter großen Grundstück Obst, Gemüse, Schwein und Ziege. „Es gab auch keine Baumärkte”, sagt Tiefenbach”, „da wurden dann Sammelbestellungen für Leitern aufgegeben”.

Mit der Zeit änderten sich die Aufgaben des Verbandes: „Grundbesitzabgaben, Straßenbaugebühren und, was wir nicht verändern können – Nachbarschaftsstreitigkeiten”, sagt Erm, der auch Jusitiar ist. „Heute sind wir Verbraucherberatung.”

An Attraktivität hätten Siedlungen bis heute nicht eingebüßt, so die Verbands-Vertreter. „Es klingt vielleicht arrogant”, sagt Erm, „aber wer Hochhäuser kennt und Brennpunkt-Stadtteile, der weiß das zu schätzen.” In Siedlungen seien die Leute beständig. „Da guckt schon der eine, was der andere macht”, sagt der 58-Jährige und fügt lachend hinzu: „auch wenn das manchmal unangenehm ist.”

Siedlungen sind im Trend, glaubt Erm, „weil die Alten in die Stadt ziehen, dort aber nicht alleine sein wollen.” Dies sei auch für die Stadt von Vorteil, wie Tiefenbach hinzufügt, „weil sie sich um das Gelände dann nicht kümmern muss.” Denn gepflegte Vorgärten und modernisierte Häuser – das ist für Siedler Ehrensache. Was sollen denn sonst die Nachbarn denken?