Oberhausen. Jürgen Vinkenflügel, neuer Chef der Prozessindustrie-Sparte von MAN Turbo & Diesel und des Werks in Oberhausen, will aber alle Arbeitsplätze in Sterkrade erhalten. Er lobt die Kompetenz der Belegschaft.

Herr Vinkenflügel, Sie wechselten von Siemens im beschaulichen Nürnberg zu MAN Diesel&Turbo nach Oberhausen und leiten nun als Chef der Prozessindustrie-Sparte auch das Werk in Sterkrade. Was hat Ihre Familie zum Umzug ins Ruhrgebiet gesagt?

Jürgen Vinkenflügel: Man kann im Frankenland wirklich gut leben, Nürnberg bietet eine sehr hohe Freizeitkultur. So waren wir erst traurig, dort Abschied zu nehmen. Doch ich bin ja ein Ruhrgebiets-Kind. Und wir sind jetzt sehr glücklich, wieder in unserer Heimat zu sein.

Wenn man mal eine Zeit weg war, sieht man umso schärfer, was im Ruhrgebiet anders ist.

Vinkenflügel: Ja, das stimmt. Was sofort auffällt: Wenn man im Ruhrgebiet an der Wursttheke steht, dann kommt man mit den Leuten in der Schlange sofort ins Gespräch. Das ist in Bayern unvorstellbar. Dort wiederum ist die Infrastruktur deutlich besser als im Ruhrgebiet. Da werden die Straßenränder regelmäßig gepflegt, gemäht und bepflanzt. Da werden im Winter die Straßen und die Fahrradwege geräumt. Da gibt es auch kaum Schlaglöcher. Es ist erschreckend, wie sehr da die Infrastruktur-Qualität im Ruhrgebiet abfällt, weil die Städte hier deutlich ärmer sind als die Gemeinden dort.

Wie ist das Image des Ruhrgebiets im Süden?

Vinkenflügel: Das Vorurteil ist geblieben: Hier sei es industriell und schmutzig, denkt man. Das hat sich da tief verankert und diese Sicht lässt sich dort nur schwer verändern. Wir brauchen da unten mehr Botschafter des Ruhrgebiets. Ich wohne jetzt im Mülheimer Ruhrtal und da ist es schöner als in Nürnberg.

Sie sind jetzt seit Oktober hier. Wie beurteilen Sie die Leistungskraft des Oberhausener Turbo-Werkes?

Vinkenflügel: Was unglaublich positiv auffällt, ist die technische Kompetenz der Mitarbeiter. Wir haben gute Auszubildende, die immer wieder von der IHK als Beste der Branche ausgezeichnet werden, und diese Qualität zieht sich bis in die Leitungsebenen durch.

Was stört Sie denn am Betriebsablauf im Werk?

Vinkenflügel: Es gibt sicherlich auch viele Dinge, die wir verbessern müssen. Unser Markt entwickelt sich nach vielen guten Jahren kritisch: Die Preise fallen, der Wettbewerbsdruck für einige unserer Produktlinien steigt, die Nachfrage sinkt: Wir müssen jetzt wieder das Kostenbewusstsein stärker zum Leben erwecken, das in den guten Jahren nicht so präsent sein musste, weil genug Geld da war. In den nächsten ein bis zwei Jahren müssen wir an die Kosten ran.

Denken Sie denn daran, nach einer wirklich guten Phase des Oberhausener Werkes mit einem Aufbau an Arbeitsplätzen von 1300 auf 2000 wieder Stellen zu kappen?

Vinkenflügel: Nein, das müssen wir wohl nicht. Wir wollen mit der heutigen Mitarbeiterzahl auch in Zukunft wirtschaften. Aber wir müssen drei Stellschrauben beachten: Wir werden uns Neueinstellungen kritischer anschauen als in der Vergangenheit; wir müssen künftig Arbeitszeit-Modelle flexibler bei Auftragslücken handhaben können als heute und wir benötigen in Zukunft nicht mehr so viele Leiharbeiter wie heute. Wir werden dieses Instrument aber als flexible Reaktion auf Auftragsspitzen nicht aufgeben.

Müssen Sie Kurzarbeit anordnen?

Vinkenflügel: Ich denke nicht, das hilft uns bei unseren langen Auftragszyklen von 18 Monaten für ein Projekt zunächst nicht weiter. Eher setzen wir Weiterbildungsinstrumente für weniger ausgelastete Abteilungen ein.

Müssen Sie hier viel umkrempeln?

Vinkenflügel: Verändere nie ein Sieger-Team. Unser Unternehmen war und ist sehr erfolgreich. Man vollzieht in unserer konservativen Branche Veränderungen nur mit Bedacht, dafür aber sehr hartnäckig.

Produktionsaufbau in China schafft Arbeitsplätze in Oberhausen

MAN Diesel &Turbo produziert seit einiger Zeit in China und überlegt, projektbezogene Arbeiten nach Südamerika zu verlagern. Der Produktionsaufbau in China hat hier für viel Aufregung gesorgt. Gefährdet das den Standort Oberhausen?

Vinkenflügel: Das Gegenteil ist der Fall, das schafft Arbeitsplätze hier. Wir bekommen heute die Hälfte unserer Aufträge aus China. Das funktioniert nur deshalb so gut, weil wir auch in China fertigen. Für jeden Euro Umsatz, den wir in China erwirtschaften, generieren wir mehrere Euro Umsatz in Oberhausen. Wir brauchen eine Lokalisierung von Märkten wie in China, künftig auch in Indien oder Brasilien. Nur so sichern wir unser Geschäft weltweit ab und die Jobs in Oberhausen. Der Arbeitsplatzaufbau hier ist auch dem China-Investment zu verdanken, weil die Nachfrage nach unseren Produkten dort so groß ist.

Die MAN ist ein großer Konzern mit vielen Standorten weltweit. Ist dadurch das Oberhausener Turbo-Werk nicht relativ immer unwichtiger geworden – und ist das nicht eine Gefahr für den Standort hier?

Vinkenflügel: Nein, das sehe ich gar nicht so. Theoretische Synergie-Überlegungen spielen in Manager-Kreisen zwar immer eine Rolle, aber unser Geschäft hier wird getragen von der persönlichen Kompetenz unserer 2000 Mitarbeiter. Wenn man dieses Werk schwächen würde, dann verliert man einen Teil dieser Kompetenz – und die ist ungleich wertvoller als das, was man an Miete oder anderen Sachkosten sparen könnte. Das Oberhausener Werk ist die zweitgrößte Fertigung von MAN Diesel & Turbo. Und es verdient Geld – das ist das Entscheidende. Das Werk hat von Kompetenz und Größe eine Schlüsselstellung für MAN Diesel &Turbo.

Sie planen Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe auf dem Werksgelände. Welche sind das?

Vinkenflügel: Trotz der schwierig werdenden Marktumstände investieren wir hier, weil wir uns von unseren internationalen Wettbewerbern nur dann abheben können, wenn wir hier stetig modernisieren. Wir haben gerade Richtfest für ein neues Freifeld gefeiert, um auf diesem Prüfstand unsere Produkte, ganze Stränge aus Verdichtern und Gasturbinen, unter Volllast testen können. Hier werden auch die Maschinen unserer Schweizer Fertigungsstätte geprüft. Zudem werden wir eine Service-Akademie auf unserem Werksgelände bauen, in der wir unsere Kräfte, aber auch Kunden schulen wollen.

Was erwarten Sie von der Stadtverwaltung? Kann Ihnen der Oberbürgermeister helfen?

Vinkenflügel: Der gute Kontakt mit der Stadt ist uns sehr wichtig. Es gibt große und kleine Anliegen, bei denen uns die Stadt helfen kann, etwa wenn wir die Belegschaft an Sonntagen einsetzen müssen. Bisher ist die Zusammenarbeit mit der Stadt reibungslos verlaufen, das hilft uns, im Wettbewerb zu bestehen.