Oberhausen.. Streit ums Rückgelände: Zwischen Stadt und Anwohnern herrscht Eiszeit. Auch eine erneute Bürgerversammlung änderte daran nichts.
An diesem Abend wird sich auf beiden Seiten nichts bewegen – das ist schon spürbar, bevor Andrea Baudek, Fachbereichsleiterin der Stadtplanung, das erste Wort bei der Bürgerversammlung gesprochen hat. Seit zwei Jahren sind die Fronten klar abgesteckt zwischen der Stadt und den Anwohnern der Straßburger und Seiler Straße. Das Schlachtfeld: das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Theile. Auf der einzigen großen Grünfläche im Schlad will Wilma Wohnen 27 Reihenhäuser bauen, notfalls auch mit Hilfe des Stadtrates gegen den Willen der Anwohner.
Beteiligung ohne Sinn
Welchen Sinn hat Bürgerbeteiligung, wenn die Beteiligten von Grund auf nicht einverstanden sind? Auch darüber gibt die Versammlung in der Aula des Heinrich-Heine-Gymnasiums zu denken. Denn im Prinzip sind alle Argumente bereits seit anderthalb Jahren immer wieder ausgetauscht worden: Auf sogenannten Bürger-Workshops, in der Bezirksvertretung, durch 700 Unterschriften von Anwohnern gegen das Bauprojekt.
Die Gegner – unter ihnen eine Bürgerinitiative – wollen aus vielen Gründen keine Bebauung auf dem Gelände, das jedoch weder ihnen noch der Stadt gehört, sondern in privater Hand ist. Sie argumentieren mit schweren Auswirkungen auf das Klima im Quartier durch die Beseitigung der letzten großen Grünfläche, dem hohen Bestand an leeren Wohnungen, die stattdessen ausgebaut werden könnten, der hohen Verkehrsbelastung durch das Möbelhaus mitten in der Siedlung. Verändert hat sich an den Positionen seit Jahren nichts.
Und dennoch: Auf der Bürgerversammlung versuchen Baudek aus Sicht der Stadt und ein Planer im Auftrag von Wilma Wohnen, das Vorhaben schmackhaft zu machen. Jetzt sollen drei Häuser weniger als ursprünglich geplant entstehen – als „harmonisches Einfügen“, beschreibt es der Planer. Jedes Haus bekommt einen eigenen Parkplatz, man verweist auf elf neue Besucherparkplätze, die das Viertel entlasten sollen. Als der Planer den Anwohnern aber einen Streifen Grün als „großzügige Grünfläche“ und künftigen Spazierweg vorsetzen will, erntet das unter den rund 80 Bürgern ungläubiges Gelächter. Es wird deutlich: Einen Kompromiss führt auch der neue Entwurf nicht herbei.
7000 Fahrzeuge pro Tag
„Sie gehen den bequemsten Weg“, wirft der Sprecher der Bürgerinitiative Christoph Rotthäuser den Planern vor, mögliche Alternativen nicht genügend auszuschöpfen. Der Sprecher hat das Gerstmann-Gelände an der Wehrstraße im Sinn. „Wir haben uns bemüht. Es hat dort leider nicht geklappt“, wehrt Andrea Baudek ab und kontert mit Zahlen: Der Stadt fehle Wohnraum für Familien. Das Viertel sei zwar mit rund 7000 Fahrzeugen an einem Wochentag belastet. Zusätzliche 170 Fahrten durch neue Anwohner machten aber „nicht viel mehr aus“.
Doch „nicht viel“, das ist für die Anwohner schon der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Erst recht, als die Stadtplanerin einräumt, die Anzahl der Häuser könnte sich noch „nach oben verändern“. Endgültig wird das erst im später öffentlich ausliegenden Bauplan festgelegt. Dass Bezirksbürgermeister Dirk Vöpel (SPD) als Moderator des Abends versichert, der Rat werde sich mit den Argumenten der Bürger auseinandersetzen, besänftigt die Stimmung nicht.
„Ich bin enttäuscht über das, was ich hier höre“, macht sich der Pfarrer der evangelischen Markus-Kirchengemeinde Helmut Müller Luft: „Die grundsätzlichen Bedenken sind nicht ernst genommen worden.“ Andere finden noch deutlichere Worte gegenüber der Stadtplanerin: „Ich bin entsetzt, wie Sie über ökologische Aspekte hinweggehen, ich fühle mich verarscht“, sagt eine Frau.
Am Ende bleibt es beim Schlagabtausch. Wilma baut die Präsentation ab – ob man sie erneut überarbeitet? Nur wie? Frauen räumen die Stühle in der Aula zusammen und Bezirksbürgermeister Dirk Vöpel sieht „Misstrauen in den Gesichtern“.