Oberhausen. Nach seiner schweren Krebsoperation im Universitätsklinikum Mannheim hat sich Oberbürgermeister Klaus Wehling wieder in der Öffentlichkeit zurückgemeldet . Hier das vollständige Interview im Wortlaut.

Herr Oberbürgermeister, die Sommerpause ist vorbei, jetzt geht es auch politisch wieder in die Vollen. Während sich andere im Sommer entspannen konnten, haben Sie eine schwere Operation überstehen müssen. Wie geht es Ihnen jetzt?
Wehling: Mir geht es gut. Vor den Sommerferien wurde bei mir im Rahmen einer Computertomografie-Untersuchung eine Geschwulst in der Bauchhöhle festgestellt. Diese Geschwulst ist in der Universitätsklinik Mannheim komplett und erfolgreich entfernt worden. Die Nachbehandlung erfordert keine Chemo- oder Bestrahlungstherapie. Die verordnete Tablettenkur hat zum Glück keine Nebenwirkungen. Ich fühle mich wohl und deshalb gehe ich davon aus, dass ich relativ schnell das gleiche Arbeitspensum erledigen kann wie vor der Operation.


Wie sind Sie mit der schlimmen Diagnose, da gibt es eine bösartige Geschwulst im Körper, fertig geworden?

Zunächst hatten die Ärzte nur einen Fremdkörper festgestellt, der da nicht hingehörte. Bei einer solchen Diagnose hofft man natürlich auf ein positives Untersuchungsergebnis. Als dies nicht der Fall war, habe ich mich ausschließlich auf den nächsten Schritt, die Operation, konzentriert. In Abstimmung mit den Ärzten bin ich dann mit meiner Frau für zwei Wochen in Urlaub gefahren. In dieser Zeit konnte ich auch tatsächlich abschalten und Kraft für die Operation schöpfen. Die eigentlich unangenehme Zeit war das lange Warten auf den Befund nach der OP. Zum Glück war die Nachricht für mich dann positiv.


Sie hatten in den letzten Wochen viel Zeit, über vieles nachzudenken. Hat sich bei Ihnen etwas verändert?

Die vergangenen Wochen haben mir neue Erkenntnisse gebracht. Ich bin nachdenklicher geworden – auch mit Blick auf den Stil politischer Auseinandersetzungen, wenn man die wirklichen Probleme betrachtet. Sehr gefreut habe ich mich über den vielen Zuspruch und die vielen guten Wünsche. Das hat mir vor der Operation Mut gemacht und gibt mir jetzt auch Schwung, mich weiter mit ganzer Kraft für Oberhausen einzusetzen.

Sie gehen recht offen mit Ihrer Erkrankung um. Viele Politiker tabuisieren ihre Lage, wenn sie krank werden. Warum ist das so?

Das ist nicht nur im politischen Geschäft so. Trotz aller medizinischen Fortschritte verbinden noch immer viele Menschen mit der Diagnose Krebs eine kurze verbleibende Lebenserwartung. Deshalb wohl scheuen sowohl Betroffene als auch Außenstehende, sich aktiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Ich dagegen bin überzeugt – auch aufgrund mannigfacher Erfahrungen aus meinem Bekanntenkreis – dass man sich der Krankheit stellen und offen mit ihr umgehen muss. Immer nur das Schlimmste zu denken vergeudet Kraft, Kraft, die man im tatsächlichen Ernstfall dringend braucht.

Wenn man so etwas erlebt, fragt man sich da: Was soll das Ganze noch? Haben Sie daran gedacht, ihr Amt vorzeitig, vor 2015, abzugeben und lieber eher den Ruhestand zu genießen?

Nein, ich habe immer gesagt, ich übe mein Amt so lange aus, wie ich gesund bleibe. Meine Krankheit war sehr ernst zu nehmen, aber ich fühle mich nun wieder fit. Ich muss jetzt nach der Operation vorübergehend etwas kürzer treten. Außerdem macht mir meine Aufgabe als Oberbürgermeister für die Menschen in Oberhausen sehr viel Freude. Es gibt noch viel zu tun, was ich bewegen möchte.


Kommen wir zur Politik. Was sind für Sie die wichtigsten Themen der nächsten sechs Monate? Was wollen Sie anpacken?

Für Oberhausen hängt am meisten davon ab, ob das Land unser Sparpaket im Rahmen des Stärkungspaktes genehmigt. Ich bin da guten Mutes, wenn wir wohl auch Auflagen in Kauf nehmen müssen, die vom Land kontrolliert werden. Es bleibt aber auch danach ein schwieriger Weg, da wir jährlich den grünen Stempel aus Düsseldorf erhalten müssen. Insgesamt gewinnen wir jedoch so unsere Handlungsfähigkeit wieder und werden nicht mehr von Düsseldorf bis in die kleinsten Dinge hinein bevormundet.


Befürchten Sie Proteste der Oberhausener Bürger, wenn das Sparpaket für 2013 konkretisiert und klar fassbar für die Bürger wird?

Wenn die Bürger das Gefühl haben, es müssen alle Abstriche machen und es geht weitgehend gerecht zu, dann akzeptiert die Mehrheit auch solch ein schmerzhaftes Sparpaket. Das ist meine Erfahrung aus den Bürgerforen. Ich bin froh darüber, wie viel Verständnis und wie viel Verantwortung die meisten Bürger für die Zukunft aufbringen.

Haben Sie den Eindruck, dass mit dem Stärkungspakt und höheren Zuschüssen für Soziallasten Land und Bund genug für die Kommunen tun?

Eindeutig nein, das ist auch vom Städtetag bestätigt. Die Finanzausstattung der NRW-Kommunen ist im Vergleich zu den Aufgaben der Städte unzureichend. Mit dem Stärkungspakt hat das Land einen Schritt in die richtige Richtung getan, aber es reicht nicht aus. Der Bund muss sich bei den sozialen Lasten, z.B. bei den Kosten der Eingliederungshilfe und der Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft, bedeutend stärker engagieren als bisher. Und dann müssen sich Land und Bund um die Altschulden-Problematik der Städte kümmern – dies kann keine Kommune alleine schultern.

Merlin Entertainment baut mit dem Ocean Park und Legoland eine weitere Freizeitattraktion in Oberhausen. Sehen Sie dadurch die Chancen für gute Projekte auf dem Stahlwerksgelände steigen?

Auf dem Gelände des Centro werden derzeit rund 200 Millionen Euro investiert – nicht nur in Freizeitattraktionen, sondern auch in neue Einzelhandelsgeschäfte und Bürogebäude, wie jetzt von Bilfinger & Berger. Daran sieht man, welch hervorragenden Ruf Oberhausen als Investitionsstandort genießt. Internationale Anleger wie Stadium und Merlin beweisen dies. Auf dem Stahlwerksgelände tut sich bisher zu wenig, wenn auch Hornbach jetzt dort einen sehr großen Baumarkt baut. Eine Ursache sind die hohen Preisvorstellungen des irischen Eigentümers: Wir haben ihm viele interessante Investoren angeboten, aber es scheiterte meistens an seinen Preisvorstellungen.

Glauben Sie eigentlich noch daran, dass die Skihalle auf dem Stahlwerksgelände überhaupt jemals gebaut wird?

Ich glaube erst daran, wenn da ein Stein auf den anderen gesetzt wird. Mich erstaunt, dass jemand eine sechsstellige Summe in die Baugenehmigung investiert und bis heute keine Signale sendet, ob sich da noch einmal etwas bewegt.

Der Innenstadt-Knast soll nun endgültig abgerissen werden. Was haben Sie für Pläne mit dem Gelände? Erwarten Sie hier Unterstützung vom Land?

Da sollten sich möglichst viele Leute Gedanken machen und durchaus auch schräge Ideen einbringen. Der Vorschlag, ein Hotel für Jugendliche in diesem sehr besonderen Gebäude einzurichten, ist ernsthaft überlegenswert. Aber alles hängt ja davon ab, ob sich ein Betreiber findet, der diese Idee spannend findet und umsetzen will. Offen ist ja auch noch, ob das Land ein neues Finanzamt am Centro baut. Wir plädieren dafür, dass die beiden Finanzämter in Alt-Oberhausen und Sterkrade hier in der Innenstadt in Bahnhofsnähe zusammengelegt werden – und nicht am Centro. Aus meiner Sicht sollte ein städtebaulicher Wettbewerb weitere Ideen für das Bahnhofsquartier entwickeln.

Beim Beschluss des Landes, dass brutale Schwersttäter nach Oberhausen kommen sollen, gab es die Hoffnung, dass im Gegenzug das Land der Stadt etwas Gutes tut. Erwarten Sie, dass das Land eine Landesbehörde oder eine Fachhochschule in Oberhausen aufbaut?

Wir haben damals nicht lange rumgezickt und haben dem Land ein großes Problem abgenommen. Deshalb erwarte ich schon, dass das Land uns nun entgegen kommt und wir auf Wohlwollen für besondere Projekte wie die von Ihnen genannten Beispiele stoßen. Man sollte darüber im Interesse der Stadtentwicklung sehr ernsthaft diskutieren.

Die Babcock Gießerei mit hundert Arbeitsplätzen hat derzeit erhebliche Probleme, sie ist im Insolvenzverfahren. Droht der Stadt Oberhausen damit eine weitere De-Industrialisierung?

Nein, das glaube ich nicht. Es gibt positive Signale, dass das Unternehmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine gute Chance hat, weitergeführt zu werden. Oberhausen bleibt weiterhin ein attraktiver Industriestandort wie Oxea, MAN Diesel Turbo und die vielen mittelständischen Unternehmen zeigen.

Was ist eigentlich mit der SPD Oberhausen los? Während sich in Nachbarstädten gleich eine Handvoll Kandidaten um die Bundestagskandidatur bewerben, sind es bisher hier nur zwei. Fehlen der SPD mutige fähige Köpfe?

Nein, das auf keinen Fall. Bei uns ist ja nicht nur der Unterbezirksvorsitzende Mike Groschek mutig und fähig. Diese Tugend zieht sich durch bis zu den Aktiven in den Ortsvereinen.

Das Interview führte Peter Szymaniak.