Oberhausen. .

„Ihr habt Euch wohl gewundert, dass ich schon Rentner bin. Jetzt wo der Stress vorbei ist, da lang ich nämlich hin. Oho, oho, oho!“

Es geht streng der Reihe nach. Jeder darf mal. Jeder muss mal. Doch mancher möchte noch mehr. Gerade hat Can die ersten Textzeilen aus Udo Jürgens Klassiker „Mit 66 Jahren Jahren, da fängt das Leben an“ gesungen, ist auch schon Julian an der Reihe. Der Knirps zeigt sich selbstbewusst. „Noch mal das gleiche? Ich kann auch den Rest!“ Bei einem Kindercasting, das wie ein Workshop aufgebaut ist, sucht Stage Entertainment für sein Musical „Ich war noch niemals in New York“ einen Jungen als Hauptdarsteller.

Und jeder kann es werden. Egal, ob der Bewerber in der Vorstellungsrunde von Schauspielunterricht erzählt oder massig Bühnenerfahrung angibt. „Wir achten auf Ausstrahlung, den Typ und die Bewegungen“, sagt Thomas Hirschfelder. Er muss es wissen. Der Kindercoach macht sich nach jeder Runde Notizen. Gemeinsam mit Gesangslehrerin Tanya Neuman und Pianistin Marliese Reichardt ist er damit noch bis Ende des Monats beschäftigt.

„Ich föhn’ mir äußerst lässig. Das Haar, das mir noch blieb. Ich ziehe meinen Bauch ein und mach auf heißer Typ. Oho, oho, oho!“

Das eine Lied hören sie immer wieder. Gesungen von Dominik, Felix oder Tim und 60 anderen Jungen der Auswahlrunde. Die Jungs sind unter sich: „Florian“ heißt die gesuchte Rolle im Stück.

Entscheidend ist die Körpergröße

Also singen sie „Mit 66 Jahren...“ in einer Tour - mit acht, neun oder zehn Jahren. Die ältesten, die mitmachen dürfen, sind 14. Viel entscheidender ist aber die Körpergröße. Schließlich handelt es sich um einen Kindercharakter, der die erwachsenen Darsteller später auf der Bühne nicht überragen darf. Darum ist in einem Vorraum auch ein Zentimeterband an der Wand aufgeklebt. 1,40 Meter, mehr darf es nicht sein. Neben der Messstelle sitzen Eltern, Großeltern, teilweise nervöser als ihre Kinder. „Darf ich mit rein?“ – „Sorry, Erwachsene müssen leider draußen bleiben!“ Im Castingraum zeigt sich, bei wem sich das Üben vor dem Spiegel, das Proben vor der Stereoanlage im Wohnzimmer auszahlt. Kennen die Knirpse Udo Jürgens überhaupt? Es schallt: „Jaaaa!“

Für Coach Hirschfeld ist es einfach zu sehen, welches Kind aus eigenem Antrieb mitmacht oder wo ehrgeizige Eltern im Hintergrund auf den Rücken stupsen: „Dann ist die Motivation eine andere!“, sagt Hirschfeld. „In solchen Fällen verzichten wir lieber auf einen Kandidaten, selbst, wenn er gut ist. Es muss dem Kind Spaß machen.“

„Sehen mich die Leute, entrüstet an und streng. Dann sag ich meine Lieben, ihr seht das viel zu eng.“

Auch die Mimik muss stimmen

Man kann es sehen. Can streicht sich über die Haare. Er wackelt fordernd mit dem Kopf. Nicht nur Singen ist gefragt, auch eine gute Mimik. Thomas Hirschfeld vermittelt die Übungen spielerisch: „Hier wird keiner ausgeschimpft, wir wollen lieber motivieren.“ Die Kinder laufen im Takt. Lockern ihre Stimme „Mimi-Mimi-Mimi-Moo!“ Hat es trotz der Aufregung Spaß gemacht? Es schallt wieder: „Jaaa!“

Weiter geht’s. Auch in der sechsten Castingrunde stimmt das Piano noch einmal an. „Mit 66 Jahren...“

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran. Mit 66 Jahren, da kommt man erst in Schuß. Mit 66, ist noch lang noch nicht Schluß.“ (Udo Jürgens, Song: „Mit 66 Jahren“)