50 jugendliche Multi-Teilnehmer, darunter viele aus Israel, besuchten das ehemalige KZ Bergen-Belsen in Niedersachsen. Die Teilnahme an der Exkursion war freiwillig

Die meisten schauen noch ein wenig verschlafen, murmeln leise „Guten Morgen“, „Good Morning“, „Boker Tov” oder „Shalom” – und schlafen schon wenige Minuten später im Bus wieder ein. Rund 50 Jugendliche – darunter alle Teilnehmer aus Israel – haben sich am frühen Donnerstagmorgen auf den Weg zur Gedenkstätte nach Bergen-Belsen gemacht. Die Exkursion ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Jugendbegegnung „Multi“ und stößt bei den Jugendlichen aus aller Welt auf großes Interesse. Mitfahren muss niemand, eingeladen ist jeder Teilnehmer.

„Wenn man nicht wüsste, was hier geschehen ist, sieht das eigentlich wie ein großer Park aus“, meint eine Teilnehmerin beim gemeinsamen Rundgang über das Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagers. Wären da nicht Gedenkzeichen, Mahnmale und Massengräber, die an das Leiden und Sterben von Zehntausenden Menschen erinnern, käme man wohl nicht auf den Gedanken „dass wir hier eigentlich auf einem riesigen Friedhof sind.“

Bei einer gemeinsamen Zeremonie am jüdischen Mahnmal gedachten die Jugendlichen aller Opfer des Nationalsozialismus. Die israelischen Teilnehmer sprachen das jüdische Totengebet, lasen kurze Texte und sangen bewegende Lieder. Anschließend legten alle Blumen nieder und zündeten Kerzen für die Ermordeten an.

„Es war für mich ein sehr emotionaler Moment“, sagt Adi (17) aus Israel. Es sei aufwühlend gemeinsam mit Jugendlichen aus aller Welt an einem Ort zu stehen, an dem Juden früher verfolgt wurden und starben. „Ich bin glücklich, dass wir hier heute gefahrlos an die Opfer des Krieges erinnern können.“ Vor allem aber bedeute es ihr viel, dass auch viele deutsche Jugendliche Interesse an dem Besuch des früheren KZs zeigten und an der Zeremonie teilnahmen. „Was hier passiert ist, ist ein bedeutender Teil unserer Geschichte, der nicht vergessen werden darf“, erinnert sie an die gemeinsame Vergangenheit.

Begreifen, was passiert ist

„Es war wichtig, dass wir diesen Ort kennenlernen und hier der Verstorbenen gedenken können“, meint Noa (16). Auch wenn außer Überresten kaum etwas an die früheren Zustände erinnere, sei der Besuch in der Gedenkstätte „sehr bewegend“ gewesen. „Die Bilder und Filme, die ich mir im Museum angesehen habe, zeigten Gewalt, Schmerz und Leid. Das zu sehen war sehr hart“, erzählt die junge Israelin. Gleichzeitig aber falle es ihr nun leichter zu begreifen, was früher tatsächlich passiert sei – verstehen aber könne sie es nicht: „Es waren doch alles Menschen – und kein Mensch hat ein Recht, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen.“

„Ich kann nicht verstehen, wie Menschen so etwas mit anderen Menschen machen können“, meint auch Michelle (13). Freundin Anna-Lena (14) ist überzeugt: „Das, was die Nazis den Juden angetan haben, macht man nicht einmal mit Tieren“. Auch wenn ihnen der Besuch der Gedenkstätte sehr nah gegangen sei, würden sie diese Fahrt mit der „Multi“ jederzeit wieder mitmachen: „Es ist wichtig, zu wissen, was damals passiert ist“, sagt Michelle.

Sie freue sich, dass die Jugendlichen aus Israel trotz der Vergangenheit nach Oberhausen kämen – und hier Freundschaften knüpfen könnten. Der Kontakt und der friedliche Austausch der Jugendlichen verschiedener Nationen ist auch für Anna-Lena von Bedeutung: „Es ist wichtig, dass sich das, was geschehen ist, nicht noch einmal wiederholt.“

Ein wichtiger Teil der Jugendbegegnung

Die gemeinsame Vergangenheitsbewältigung ist ein wichtiger Teil der Jugendbegegnung „Multi“. „Es gehört zu jedem Israel-Austausch dazu, dass auch diese Seite der Geschichte berücksichtigt wird“, sagt Multi-Organisator Wolfgang Heitzer. Für die Oberhausener Organisatoren sei es selbstverständlich, den Gästen den Besuch einer Gedenkstätte anzubieten und zu ermöglichen. Das israelische Erziehungsministerium schreibe seinen Teilnehmern den Besuch eines solchen historischen Ortes sogar vor. „Für die israelischen Gäste ist dies immer eine besondere emotionale Belastung“, weiß Heitzer. Besonders gefreut hätte sich die Gruppe, dass die Oberhausener sie in dieser „schweren Stunde“ begleitet hätten, und dass auch Gäste aus Baschkortostan, Estland, England, Japan und China an dem Besuch des ehemaligen Konzentrations- und Arbeitslagers teilnahmen. Nicht nur für die Gäste, auch für den langjährigen Multi-Organisator Wolfgang Heitzer ist der Besuch in Bergen-Belsen „auch heute noch sehr emotional und immer wieder mit Gänsehaut und starkem Schlucken verbunden.“