Oberhausen. Im Laufe der Zeit sind aus den Industriedenkmälern des Ruhrgebiets sehenswerte Museen, Parks, Bühnen und Ateliers geworden. Bei Touren und Besichtigungen bieten sich tiefe Einblicke in eine Region, die in der Industriekultur ihre kulturelle Identität bewahrt. Eine Reise zum Gasometer Oberhausen.
Wer heute den Gasometer besucht, kann sich kaum vorstellen, dass sich hier bis 1988 tagtäglich ein schwerindustrielles Inferno abgespielt hat. Der stählerne Gasbehälter stand inmitten einer gigantischen Industrie- und Fabriklandschaft der Gutehoffnungshütte (GHH).
Ursprünglich als reiner Bergbau- und Hüttenbetrieb gegründet, waren in dem späteren GHH-Konzern alle Montansektoren vom Bergbau über die Eisen- und Stahlerzeugung, die Weiterverarbeitung, den Maschinenbau bis hin zur Spedition zusammengefasst. Die Hütte, einziges Unternehmen weit und breit, hatte den Ruf der Stadt als „Wiege der Ruhrindustrie“ mitbegründet. Einen Eindruck von dieser Zeit vermittelt heute ein historisches Panoramabild im Eingangsbereich des Gasometers: rauchende Schlote, riesige, kreuz und quer verlaufende Rohrleitungen, Fabrikhallen, Kohlen- und Materialhalden, Schienen und Eisenbahnzüge, so weit das Auge reicht.
Ein faszinierendes Raumerlebnis
Fast nichts von alledem ist geblieben – mit Ausnahme einer Stahlwerkshalle und eben des Gasometers. Heute ist die Stahltonne ein Wahrzeichen der Stadt und eines der bekanntesten Symbole des Ruhrgebiets. Sie ist beeindruckendes Monument der Bau- und Technikgeschichte und immer häufiger spektakulärer Veranstaltungsort. 117 Meter hoch ist der Gigant.
Auch interessant
Im Inneren mischt sich bei den Besuchern die Faszination über das Raumerlebnis mit der Lust an sinnlichem Erleben: In dem kreisrunden Raum kommt jeder Ton mit sieben- bis achtfachem Echo zurück. Ein gläserner Panoramaaufzug im Inneren führt unter die Kuppel des Giganten, ein zweiter Aufzug von außen auf das Dach.
Der erste populäre Höhepunkt
Wer sich fit fühlt, kann die 592 Stufen über eine Außentreppe zurücklegen. Von der Dachterrasse bietet sich ein herrlicher Rundblick über das westliche Ruhrgebiet – bei klarem Wetter kann man bis zu 35 Kilometer weit noch die bizarren Kulissen der Duisburger Stahlindustrie sehen. Zum Greifen nah ist das benachbarte Einkaufs- und Erlebniszentrum CentrO, das auf dem ehemaligen Werksgelände der Gutehoffnungshütte entstanden ist – die „Neue Mitte“ Oberhausen.
Seit dem Umbau des Gasometer s zur wohl ungewöhnlichsten Ausstellungshalle Europas 1993/94 wird hier mit wechselnden Veranstaltungsprojekten ein Besucherrekord nach dem nächsten eingestellt. Erster populärer Höhepunkt war 1999 die Installation „The Wall“ von Christo & Jeanne- Claude. Das US-amerikanische Künstlerpaar hatte 13.000 bunt bemalte Ölfässer im Gasometer aufeinander stapeln lassen und das Raumerlebnis zelebriert.
Gasometer Oberhausen - Gichtgasspeicher wird Wahrzeichen
Der weithin sichtbare Stahlriese hat schon immer Maßstäbe gesetzt. 1929 auf dem Gelände der Gutehoffnungshütte errichtet, war der Gasometer mit 117,5 Metern Höhe, 68 Metern Durchmesser und fast 350.000 Kubikmetern Nutzvolumen der größte Gasbehälter seiner Zeit. Zuerst diente er als Zwischenspeicher für das Gichtgas der Hochöfen der Hütte, später für das Koksgas der Kokerei Osterfeld.
In einer Art Verbundsystem war der Gasometer über dicke Rohrleitungen mit den Städtischen Gaswerken, der Zeche Osterfeld, den Eisenhütten I und II sowie dem Walzwerk verbunden. Deren anfallendes Gas nahm er auf beziehungsweise leitete es ab. Mit der Schließung des Hüttenwerkes wurde auch der Gasometer kaum noch genutzt.
Abstimmung durch den Rat
Im Jahr 1988 beschloss der letzte Besitzer, die Ruhrkohle AG, die Stilllegung. Abriss oder Erhaltung? In einer mehrjährigen, intensiven Diskussion zwischen dem Stadtrat, der Landesregierung, der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park, Unternehmensvertretern und engagierten Bürgern brachte erst eine Abstimmung durch den Rat der Stadt Oberhausen im Jahr 1992 die Entscheidung: Mit nur einer Stimme Mehrheit plädierten die Stadtverordneten schließlich für den Erhalt.
Auch interessant
Karl Ganser, damaliger Direktor der IBA, hatte ein Finanzierungskonzept vorgelegt, mit dem der Gasometer in „ein noch nicht bekanntes Raumerlebnis für verschiedenartige Veranstaltungen“ umgebaut werden sollte. Die Ruhrkohle AG überließ den Gasometer der Stadt und zahlte 1,8 Mio. Mark – exakt die Summe, die der Abriss gekostet hätte. Insgesamt betrugen die Kosten für den Umbau fast 16 Mio. Mark. 90 Prozent davon wurden aus Fördermitteln des Landes finanziert.
Monument bewegter Industriegeschichte
Beim Umbau nach Entwürfen des Berliner Architekten Jürg Steiner in den Jahren 1993/94 wurde das technische Kernstück der Anlage, die 1.200 Tonnen schwere Gasdruckscheibe, in 4,50 Metern Höhe fixiert. Unter der Stahlplatte öffnet sich heute ein kreisrunder, mehr als 3.000 Quadratmeter großer Raum.
Zwei Stahltreppen führen auf die Scheibe, in deren Mitte eine Bühne installiert wurde. Teile der Trägerkonstruktion sind zu einer Tribüne mit 500 Sitzplätzen umgestaltet. Gleich die erste Ausstellung „Feuer & Flamme – 200 Jahre Ruhrgebiet“ im Sommer 1994 sorgte für Aufsehen und machte den Gasometer bundesweit bekannt. Kuratiert von dem Direktor des damaligen Essener Ruhrlandmuseums, Prof. Dr. Ulrich Borsdorf, wurde die Schau mit insgesamt 500.000 Besuchern die erfolgreichste industriehistorische Ausstellung der Bundesrepublik überhaupt.
Als Monument bewegter Industriegeschichte ist der Gasometer heute nicht nur Symbol der Stadt Oberhausen, sondern für den Wandel des Ruhrgebiets insgesamt geworden.
St. Antoy Hütte in Oberhausen - Wiege der Ruhrindustrie
Sie war die erste Eisenhütte des Reviers und gilt heute als „Wiege der Ruhrindustrie“: Die St. Antony Hütte in Oberhausen. An dieser Stelle wurde zum ersten Mal im Ruhrgebiet Roheisen produziert. Rund um diese Eisenhütte entstand im Laufe der Zeit das größte Industrieareal der Europas, das als Weltkonzern unter dem Namen Gutehoffnungshütte Industriegeschichte schrieb.
Die Anfänge der St. Antony Hütte liegen über 250 Jahre zurück. Der Geistliche Franz Ferdinand von Wenige hatte vom Kölner Erzbischof die Erlaubnis erhalten, am Elpenbach in Oberhausen- Osterfeld eine Eisenhütte zu errichten, um die hiesigen Erzvorkommen zu Roheisen einzuschmelzen.
Die Hüttengewerkschaft
Dach für Antony-Hütte
1758 wurde der Hochofen zum ersten Mal angeblasen. Anfangs wurden Alltagsprodukte hergestellt, darunter gusseiserne Gewichte sowie „Pottwerk“, also Töpfe und Pfannen. Mit den Hütten „Gute Hoffnung“ in Sterkrade (1782) und „Neu-Essen“ (1791) an der Emscher kamen in unmittelbarer Nachbarschaft zwei Eisenhütten hinzu, die mit St. Antony um die gleichen Rohstoffe und Absatzmärkte konkurrierten.
Auch interessant
Ab 1805 hatte der Unternehmer Franz Haniel die drei Hütten nach und nach aufgekauft. 1810 vereinigte er die Produktionsstätten zur „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel und Huyssen“, an der auch sein Bruder Gerhard Haniel sowie seine Schwäger Gottlob Jacobi und Heinrich Huyssen beteiligt waren.
"Turbinenhalle" wird zur Diskothek
Aus diesem Unternehmen wurde später der Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb Gutehoffnungshütte, kurz GHH. Da das Unternehmen eng mit dem Namen der Unternehmerfamilie Haniel verbunden ist, übersetzte der Volksmund das Kürzel GHH gern mit Gehört Hauptsächlich Haniel. Im 20. Jahrhundert wandelte sich das Oberhausener Unternehmen zum größten Maschinenbauer Europas.
Auch interessant
1986 ging die GHH in die heutige MAN AG auf, der Hauptsitz wurde von Oberhausen nach München verlegt. Nach dem Abriss der Hochöfen entstand in den 1990er Jahren auf dem ehemaligen Werksgelände das Einkaufszentrum „CentrO“. Auch das einstige Elektrostahlwerk wurde abgerissen, nachdem eine museale Nutzung scheiterte. Erhalten sind das GHH-Hauptlagerhaus, das Werksgasthaus sowie der Gasometer Oberhausen.
Die heute als Diskothek genutzte „Turbinenhalle“ und einige erhaltene Brücken über den Rhein-Herne-Kanal gehörten ebenfalls zur GHH. Reste von Werksanlagen findet man auch im zur Landesgartenschau 1999 angelegten Olga-Park. Seit 2008 präsentiert das Rheinische Industriemuseum in einer Dauerausstellung die Geschichte der St. Anthony Hütte. Gezeigt wird sie in dem früheren Wohnhaus des Hüttendirektors. Das ein wenig versteckt gelegene Fachwerkhaus ist das einzige noch erhaltene Gebäude der St. Antony-Hütte.