Oberhausen. .

Drei Gymnasien in Oberhausen bieten internationale Vorbereitungsklassen an. „In dieser Häufigkeit ist das NRW-weit einmalig“, sagt Juliane Dietze, Lehrerin der internationalen Klasse am Bertha-von-Suttner-Gymnasium.

Die Sprache ist der Schlüssel. Für Wentao blieb die Tür zum Gymnasium zunächst versperrt. Er war mit zehn Jahren aus China ins Sauerland gekommen. Weil er kein Deutsch konnte, besuchte er die Hauptschule. Sein Glück, dass der Vater in Oberhausen eine Anstellung fand. Heute geht der 17-Jährige in die internationale Vorbereitungsklasse des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums. Dort gilt er als Mathe-Genie.

Nur Verständnisprobleme

Landläufig würden Flüchtlingskinder wegen ihrer Verständnisprobleme viel zu häufig zwei bis drei Jahre zurückgestuft und in die Hauptschule gesteckt. Am „Bertha“ aber starten – auch dies ein bislang einmaliger Erfolg – gleich sieben von elf Schülern der internationalen Vorbereitungsklasse in die Oberstufe durch.

Juliane Dietze ist von den Fähigkeiten ihrer Schüler überzeugt. Auch durch ihre Tätigkeit bei der RAA (Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien) hatte sie rasch herausgefunden: „Da sind echte Talente dabei.“

Dort begegnete sie Kindern wie Daria, die hervorragende Schulnoten vorweisen konnte. Die 16-Jährige wuchs mit ihrem Bruder bei der Oma in Polen auf. Vor zwei Jahren holte die Mutter die Kinder nach Oberhausen. Daria besuchte im ersten Monat dennoch die Hauptschule – gegen den Wunsch von Juliane Dietze. „Ich hatte Angst vor dem Gymnasium, weil ich kein Wort Deutsch verstand“, erzählt die Schülerin. Doch nach vier Wochen hatte die Pädagogin das Mädchen vom Wechsel überzeugt. „Das ist besser für meine Zukunft“, ist Daria nun überzeugt, die im „Bertha“ auch schon als Schauspielerin Erfolge feierte.

Aufmerksame Kollegen

Kommen Zuwandererfamilien nach Oberhausen, werfen die Mitarbeiter der RAA stets einen Blick in die Zeugnisse der Kinder. „Das persönliche Gespräch, die Noten, die die Kinder in ihrer Heimat hatten, aber auch ihre eigenen Wünsche werden bei der Schulwahl berücksichtigt“, erläutert Dietze.

Manchmal sind es auch Kollegen aus Nachbarstädten, die Schüler an ein Gymnasium mit Vorbereitungsklasse verweisen. So wie bei Elvis. Seine Familie stammt aus dem afrikanischen Kamerun. „Ich besuchte ein Berufskolleg in Mülheim“, erzählt der 17-Jährige. „Du bist zu gut, du gehörst ans Gymnasium“, hätten seine Lehrer dort festgestellt. Also wechselte Elvis. Erst zur Probe. Jetzt will er sein Abitur machen.

Die elf Kinder der internationalen Vorbereitungsklasse am „Bertha“ kommen aus Nigeria, Bulgarien, Albanien, Italien, China, Bosnien, Brasilien, Kamerun, Rumänien, Polen und Afghanistan. Sie bringen eine fremde Kultur, Sprache und oft auch Schrift mit. Gerade dies verbindet sie. „Da braucht man nicht viel zu erklären“, meint Daniel (15, Bulgarien). Und Amid (14, Afghanistan) ergänzt: „Die Angst, sich zu blamieren fällt weg.“ Weil alle die gleiche Ausgangsbasis hätten, könne man sich gegenseitig helfen, findet Julia (16, Brasilien). Precious (18, Nigeria) fand zum ersten Mal Freunde. „Viele Kinder haben in ihrer Heimat teils Schlimmes erlebt“, weiß Juliane Dietze. Es dauere, bis sie sich öffnen könnten.

Erst eingewöhnen

Erst wenn die Sprachkenntnisse ausreichen, die Jugendlichen sich eingewöhnt haben, erhalten sie auch Unterricht in ihren Regelklassen. Bis dahin bleiben sie in den Vorbereitungsklassen, werden unter anderem in Mathe, Geschichte, Kunst unterrichtet. Der Schwerpunkt liegt immer auf dem Spracherwerb. Sieben der elf Kinder wechseln nach den Ferien in die Oberstufe. Alle wollen das Abitur machen. Sindy (14, Italien) will Psychologin werden, Julia will Medizin, Dajian (17, Bosnien) Archäologie studieren. Und Wentao? „Computer-Experte“. Juliane Dietze ist sich sicher: „Die schaffen das!"

136 Schüler werden aktuell in Oberhausen in internationalen Vorbereitungsklassen (iV) unterrichtet. 46 davon noch in den Grundschulen. Die ersten Vorbereitungsklassen für Kinder aus Zuwandererfamilien wurden 1981 an den Hauptschulen eingerichtet. Die Gymnasien folgten 1986.

Ein erstes Projekt in diese Richtung gab es am „Bertha“ bereits 1982 mit zwölf Schülern zwischen elf und 16 Jahren. Da der Altersunterschied zu groß war und die Kinder nach zehn Stunden Deutsch pro Woche sofort auf ihre Regelklassen verteilt wurden, sei es aber „ein Flop gewesen“, wie Juliane Dietze, Lehrerin der internationalen Vorbereitungsklasse am Bertha-von-Suttner-Gymnasium und Mitarbeiterin der RAA, deutlich macht. Lediglich zwei Schüler gelangten damals in die Oberstufe, nur eine Schülerin schaffte das Abitur.

Inzwischen haben die Gymnasien aus ihren Fehlern gelernt. Heinrich-Heine bietet eine internationale Vorbereitungsklasse für den fünften und sechsten Jahrgang an, Elsa-Brändström für den sechsten und siebten, Bertha-von-Suttner für den achten und neunten. Nach den Sommerferien kommt an der Gesamtschule Alt-Oberhausen („Was uns sehr freut“, so Dietze) eine Klasse für den siebten und achten Jahrgang hinzu. Die Erfolge können sich sehen lassen: Rund 90 Prozent der iV-Schüler an den drei Gymnasien schaffen zumindest die zehnte Klasse. „Von den Schülern, die bei uns am Bertha in die Oberstufe wechseln, packen 90 Prozent ihr Abi.“