Eine sehr verrückte und mitreißende Inszenierung mit Theater im Theater ist das Stück „Jackie B. – Ein Leben in Extremen“. Im Malersaal uraufgeführt, erhielt das neue Projekt der Regisseurin Heike Scharpff, erschaffen und gespielt von Profis und Laien, nach seiner Premiere stürmischen Applaus.

Auf einer rasanten Karussellfahrt mit abrupten Höhen und Tiefen konfrontiert das Projekt die Zuschauer mit der Persönlichkeitsstörung Bor­derline. Im Mittelpunkt steht die Begegnung von Jackie B. (wunderbar gespielt von Anja Schweitzer) und Jackie A., einer Frau, die sie sofort als Leidensgenossin erkennt und in ein Beziehungsdrama hineinzieht. So erlebt der Zuschauer, was passiert, wenn zwei Grenzgänger (so werden Menschen mit Borderline-Diagnose genannt) sich verbinden – als Theaterstück im Entstehungsprozess.

Die Experten, die sechs Laiendarsteller, um deren Erfahrungen es hier geht, sind zugegen, während die Jackie-Geschichte geprobt wird. Sie geben praktisch die Regisseure. „Passt das so für euch?“, erkundigen sich die Jackies zum Beispiel nach einer Szene. Oder die Regisseure kritisieren: „Das würde ein Borderliner so nie machen.“

Die „Probenpausen“ der Beziehungsstory „Jackie B. trifft Jackie A.“ füllen die Experten selbst mit Szenen aus dem Leben von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dabei übersetzen sie Symptome wie „Schwierigkeiten, die eigene Wut zu kon­trollieren“, „selbstschädigendes Verhalten“ oder „chronisches Gefühl innerer Leere“ in zum Teil unter die Haut gehende Bilder.

Die Szenen erschaffen in der Inszenierung die Möglichkeit für den Zuschauer, eine große Vielfalt von Extremen zu erleben. Das wird unterstützt durch laute Musik, die sich ständig drehende Spielfläche und Bühnen-Umbauten, die die Akteure sich ausagierend selbst erledigen.

Unter Spannung

Die Charaktere, die lebendig werden, bekam der Autor, Kai Ivo Baulitz, durch intensive Zusammenarbeit von Regie und den Borderline-Betroffenen „zugespielt“. Sie alle wollen nicht so sein wie sie sind, sind schwer auszuhalten und merken das, doch sie sind unfähig, sich zu ändern. Da hat eine Frau die Wohnung des neuen Freundes zertrümmert und fragt ihn anschließend, ob er sie heiraten will. Oder eine Person erzählt, dass sie ständig unter Spannung steht: „Ich bin immer ein bisschen zu viel oder zu wenig und wäre lieber ein bisschen was.“ Oder jemand sagt: „Der Kopf geht nach oben und der Himmel fließt rein, ich sehe Geister.“

Leidenschaftliches Spiel

Alle sechs Laien überzeugen durch leidenschaftliches Spiel, allen voran Nina Drong, deren Ausstrahlung fasziniert und Uwe Rack, der sehr selbstbewusst auf der Bühne agiert.

Kehren wir zurück zu den beiden Jackies. Grenzgänger trifft Grenzgänger – das kann nicht gut gehen. Jackie B. ist der „Starkstrommensch“, der die Beziehung scheitern lässt, doch Jackie A. (ganz hervorragend: Mareile Blendl) ist zwar etwas leiser, aber auch ein „Spezialmensch“. Deshalb kann sie Jackie B. verzeihen.