Oberhausen. Eine Gruppe um den Kulturhistoriker Roland Günter fordert in ihrem “Duisburger Manifest“ ein Umdenken der Kommunalpolitik im Ruhrgebiet: Leere Kassen dürften nicht weiter als Ausrede für Untätigkeit vorgeschoben werden. Kleine Projekte statt riskanter Mammut-Unterfangen müssten Vorrang bekommen.

Es scheint wieder die Zeit für Streitschriften zu sein. Das Büchlein „Empört euch“ von Stéphane Hessel erfreut sich weiterhin größter Beliebtheit – nicht nur bei der Occupy-Bewegung. In ähnlicher Weise bezieht Joachim Gauck in seinem Plädoyer für „Freiheit“ Position und nutzt dafür die kurze Form. Doch auch vor Ort hat man was zu sagen. Ein Kreis um den Oberhausener Kulturhistoriker Roland Günter legte nun das „Duisburger Manifest“ vor.

Wobei der Name den Blick nicht einengen soll, betont Günter. Zwar gaben die jüngeren Geschehnisse in der Nachbarstadt Anlass für den Vorstoß, zudem waren an der Erarbeitung vor allem Duisburger beteiligt, so etwa der frühere Oberbürgermeister Josef Krings. Schon der Untertitel macht aber deutlich, dass man ebenso gut von einem Essener, Gelsenkirchener oder Oberhausener Manifest sprechen könnte: „Kein Geld?! Trotzdem handeln mit Visionen!“

Enttäuscht von den Grünen

Die Botschaft: Leere Kassen dürfen keine Ausrede sein. „Weil es heute fast nichts mehr zu verteilen gibt, reduziert sich Politik und Verwaltung weitgehend auf Untätigkeit“, kritisieren die Autoren. Diese Problematik sieht Roland Günter auch für Oberhausen. Zwar handele es sich um eine „nicht schlecht verwaltete Stadt“, in der allerdings die „Schlafmützigkeit“ regiere.

Denkmalpfleger Günter macht keinen Hehl daraus, dass er in diesem Zusammenhang vor allem von den Oberhausener Grünen enttäuscht ist. Von ihrem Einzug ins Rathaus habe er sich mehr erwartet, den handelnden Personen mangele es an Stärke und Durchsetzungskraft. „Die einzige Oberhausener Grüne, die wirklich etwas bewegt, ist Bärbel Höhn.“

Überhaupt stehe und falle das Fortkommen der Städte mit den Köpfen, findet Günter. Nicht nur bei den Grünen, sondern in der Kommunalpolitik generell mangele es an Querdenkern und Zupackern. „Der Stadtrat darf nicht nur aus braven Leuten bestehen.“ Zu wenig Kontur attestieren Günter und die übrigen Verfasser des Manifests auch den Stadtvätern im Ruhrgebiet. „Der Oberbürgermeister soll kein Grüßaugust sein, sondern ein umfangreicher Impulsgeber“, heißt es. Man liest deutlich die Handschrift von Roland Günter heraus, wenn der ehemalige hiesige Oberbürgermeister Burkhard Drescher seinen heutigen Amtskollegen als Vorbild präsentiert wird. „Burkhard Drescher machte sich überall Notizen, ging in seine Verwaltung und setzte um.“

Handeln mit Visionen

Doch was erwartet Günter konkret von den Verantwortlichen, wie könnte das geforderte „Handeln mit Visionen“ in armen Städten dieser Tage aussehen? Nun, Kämmerer auf der Suche nach hilfreichen Tipps werden bei der Lektüre enttäuscht sein. Das Manifest fordert nicht weniger als eine „ganz neue Denkweise des kommunalen Handelns“. Die Vorschläge, die man dazu macht, klingen oft wenig neu („Mehr miteinander reden“), mitunter wird man aber konkreter. So warnen die Verfasser vor weiteren „überflüssigen, unsinnigen Großprojekten“. Statt dessen gelte es, das Wirken im Kleinen wieder wertzuschätzen. Beispielsweise komme den Stadtarchiven als „Fundgruben“ eine große Bedeutung zu, sie müssten aufgewertet werden.

Auch fordern Günter und seine Mitstreiter, Bürgerbeteiligung zu verbessern. Das Auslegen von Bauplänen oder Internet-Befragungen zu Sparmaßnahmen seien „eine Ersatzhandlung, um nicht zum Kern der Sache zu kommen. Man muss den Leuten auch das Gefühl geben, dass etwas dabei herauskommt.“

„Nicht allesschlechtreden“

Als Miesmacher will Günter nicht dastehen, im Gegenteil. Es werde viel zu vieles schlechtgeredet, auch in Oberhausen. Beispiel Marktstraße: Keineswegs sei dort alle Hoffnung verloren. „Die Marktstraße läuft doch gut. Aber Fluktuation und Schrumpfung gehören dazu, da muss man realistisch und bescheiden sein.“ Auch stadtplanerisch sei Oberhausen nach wie vor der Maßstab im Revier. Hier gebe es aber ebenfalls noch Möglichkeiten, Lebensqualität zu erhöhen: durch die Entrümpelung der Straßen von Schildern, durch die Aufwertung öffentlicher Plätze – und: durch mehr Sackgassen. Ausschließlich im Sinne der Entschleunigung, versteht sich.