Oberhausen. Vor dem Hintergrund der Kreditaffäre: Wie arbeitet eigentlich der Sparkassen-Verwaltungsrat und warum hat er nicht eher eingelenkt?
Im Zuge der Kreditaffäre bei der Stadtsparkasse rückt auch der Verwaltungsrat des kommunalen Kreditinstituts in den Blick. Ob dieses Gremium – das zwar nicht Aufsichtsrat heißt, aber doch offensichtlich eine Aufsichtsfunktion übernehmen soll – die Fehlentwicklung nicht früher hätte erkennen müssen, will nun mancher wissen. Wie der Verwaltungsrat aufgestellt ist, welche Rolle er in der Geschichte um den geplatzten 22-Millionenkredit spielt und wie der Vorsitzende die Geschehnisse rückblickend einordnet – Fragen und Antworten.
Wie setzt sich der Verwaltungsrat zusammen?
Die Zusammensetzung regelt das Sparkassengesetz NRW. Demnach besteht der Verwaltungsrat bei einer Sparkasse mit 250 und mehr Beschäftigten aus 15 Mitgliedern. Zehn kommen aus dem Rat der Stadt, im Fall Oberhausens sind das für die SPD derzeit Anne Janßen, Beatriks Brands und Horst Wolter, für die CDU Daniel Schranz, Christian Benter, Hermann Josef Schepers und Ursula Wingens, für die Grünen Volker Wilke, für die FDP Hans-Otto Runkler. Den Vorsitz hat Wolfgang Große Brömer (SPD). Hinzu kommen fünf Mitarbeiter Sparkasse, die der Rat aus einer Vorschlagsliste wählt. Die Amtszeit entspricht der des Rates, also in der Regel fünf Jahre.
Welche Aufgabe hat der Verwaltungsrat und wie läuft seine Arbeit konkret ab?
„Der Verwaltungsrat bestimmt die Richtlinien der Geschäftspolitik und überwacht die Geschäftsführung“, heißt es im Sparkassengesetz. Zudem stellt er den Jahresabschluss fest und macht Vorschläge für die Verwendung des Überschusses. Er entscheidet über Öffnung und Schließung von Filialen, die Gründung von Stiftungen und die Errichtung von Sparkassen-Gebäuden. In Oberhausen kommt das Gremium üblicherweise fünf bis sechs Mal im Jahr zusammen. An den Sitzungen nimmt auch der Vorstand teil.
Wie ist das Amt vergütet?
Die Vergütung, die sich aus einer Grundvergütung und Sitzungsgeld zusammensetzt, ist für den Vorsitzenden, seine Stellvertreter und normale Mitglieder unterschiedlich. Im Jahr 2010 erhielt der Vorsitzende rund 14.000 Euro, ein normales Mitglied etwa 4000 – insgesamt gingen 116.000 Euro an das Gremium. Mitunter haben die Parteien Regelungen getroffen, einen Teil an die Parteikasse abzuführen, bei der SPD beispielsweise 30, bei den Grünen 50 Prozent.
Wie ist es um das Fachwissen der Mitglieder bestellt?
„Man muss darlegen, dass man mehr Kontakt zu Bankgeschäften hat als den eigenen Autokredit“, sagt Wolfgang Große Brömer. Zudem seien die Mitglieder gefordert, die Schulungsangebote des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes (RSGV) wahrzunehmen. Eine Verpflichtung dazu besteht aber nicht. Forderungen nach einer Quote für Experten in dem Gremium begegnet Große Brömer skeptisch. „Ich glaube nicht, dass bei unserer Informationslage an irgendeiner Stelle eine andere Entscheidung getroffen worden wäre.“
Wer bestimmt die Agenda der Sitzungen?
Der Vorstand und der Vorsitzende des Verwaltungsrates stimmen im Vorfeld die Tagesordnung ab. Die Mitglieder können zudem Vorschläge äußern.
Inwiefern ist der Verwaltungsrat an Entscheidungen über Kredite beteiligt?
„Der Verwaltungsrat beschäftigt sich in der Regel nicht mit einzelnen Kreditfällen“, so Große Brömer. „Wenn doch, werden sie anonymisiert besprochen.“ Eine zentrale Rolle spielt deshalb der so genannte Risikoausschuss des Verwaltungsrates, der einmal im Monat tagt. Er befasst sich mit allen Kreditfällen, die fünf Prozent des so genannten „haftenden Eigenkapitals“ der Sparkasse überschreiten, im Fall Oberhausens waren das zuletzt 7,9 Millionen Euro. Im Risikoausschuss sitzen Wolfgang Große Brömer, Daniel Schranz, Christian Benter, Anne Janßen, Volker Wilke und zwei Sparkassen-Mitarbeiter.
Hat der Risikoausschuss der Kreditvergabe an Sport Concept zugestimmt?
Zunächst ja. „Der Risikoausschuss war 2008 zum ersten Mal damit befasst“, so Große Brömer. Allerdings habe man den Mitgliedern wichtige Informationen über das Unternehmen vorenthalten und eine objektive Einschätzung des Risikos unmöglich gemacht. Damals sei „eine Strategie der Verharmlosung und Vertuschung eingeleitet“ worden, beklagt der Verwaltungsratschef. Heute wisse man, dass da „von Anfang an der Murks drin“ war. Allerdings: „Das Vertrauen war größer als das Misstrauen.“
Wann kamen Zweifel an dem Engagement auf?
Schon 2008 hätten Mitglieder auf die zweifelhafte Vorgeschichte des Geschäftsmanns aufmerksam gemacht, der offenbar hinter dem komplexen Firmengeflecht stand. Diese Zweifel seien damals weggewischt worden mit dem Hinweis, jeder habe „eine zweite Chance“ verdient, so Große Brömer. Dass etwas völlig schief lief, sei ihm erst im März 2011 klar geworden, als es um eine weitere Erhöhung des Kredits über die 22 Millionen Euro hinaus ging. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Risikoausschuss umfänglich informiert worden – eine Einschätzung, die durch das Gutachten von Pricewaterhouse Coopers (PWC) gestützt wird. Der Ausschuss habe seine Zustimmung verweigert und damit die Ereignisse ins Rollen gebracht.
Schon 2007 gab es Warnungen der internen Revision. Warum haben diese den Verwaltungsrat nicht erreicht?
„Das ist einer der ganz wichtigen Punkte, die wir nun diskutieren müssen“, sagt Große Brömer. Hier sei mehr Transparenz nötig. Auch könne es nicht sein, dass der Risikoausschuss nur aufgrund von Tischvorlagen entscheiden müsse und man das Aushändigen von relevanten Unterlagen mit dem Hinweis auf den Datenschutz verweigere. Dem Verwaltungsrat sei stets gesagt worden, alle Sparkassen hielten es so. Inzwischen wisse man, dass manches Haus es anders handhabe.
Welche Konsequenzen zieht der Verwaltungsrat konkret?
Das Gremium hat den Beratern von PWC einen Folgeauftrag erteilt. „Bis März sollen sie ausloten, wie man Qualität und Quantität des Informationsflusses rein rechtlich verbessern kann.“ Abgesehen davon lege das einzelne Mitglied nach dieser Erfahrung sicher eine „erhöhte Sensibilität“ an den Tag.
Erst im Zuge der Kreditaffäre wurde auch die vergleichsweise schwache Geschäftsentwicklung insgesamt einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Wie steht dazu der Verwaltungsrat?
„Das ist auch ein Punkt, den wir verbessern müssen“, so Große Brömer. „Die Sparkasse hat sich zu sehr in den Wettbewerb mit den Direktbanken begeben. Wir brauchen aber eine ganz andere Anbindung an den Kunden. Die Sparkasse darf sich nicht weiter aus der Fläche herausziehen.“ Erneuten Filialschließungen habe sich der Verwaltungsrat 2010 deshalb verweigert.