Am Fraunhofer-Institut Umsicht erforscht man unseren Tastsinn. Denn das Fühlen beeinflusst unsere Kaufentscheidungen maßgeblich – ob beim Autokauf oder beim Aussuchen eines neuen Handys. Ziel ist es, Oberflächen angenehm und funktional zu gestalten.

Hart oder weich, rau oder glatt, klebrig oder rutschig – mit unserem Tastsinn erfühlen wir unsere Umgebung. Wir berühren Dinge, streichen über ihre Oberfläche und halten sie in der Hand. Doch wann empfinden wir ein Material eigentlich als angenehm, wann als eher unangenehm? Am Fraunhofer-Institut Umsicht geht man unserem Tastsinn auf den Grund. Denn unsere anderen Sinne sind weitestgehend erforscht – die Haptik ist es nicht. Wir wissen, wie das Sehen und das Riechen unsere Entscheidungen beeinflusst. Aber wie ist es mit dem Fühlen?

Situation Autokauf. Toll sieht er aus, der schmucke Flitzer in Schwarz. Der Spritverbrauch stimmt, und der Preis sogar auch. Aber irgendwie fühlt sich das Polster komisch an, und das Lenkrad ist zu hart. Lieber noch einmal weiterschauen.

„Unser Tastsinn beeinflusst unsere Kaufentscheidungen maßgeblich, aber unbewusster als Optik und Akustik“, erklärt Sabrina Schreiner vom Fraunhofer-Institut. So werden nicht nur Dinge, die man auch später im Gebrauch berührt, einem ausgiebigen Tast-Test unterzogen, sondern alles: Man streicht über das Armaturenbrett und die Türinnenverkleidung, man betastet den Dachhimmel. Danach berührt man diese Dinge vielleicht nie wieder – sie entscheiden aber über Kauf oder Nicht-Kauf.

„Wir vertrauen unserem Tastsinn sehr stark“, so die 27-jährige Industrie-Designerin, die den Bereich Haptik am Umsicht-Institut aufgebaut hat. „Das Auge kann getäuscht werden, etwa durch geschönte Werbung – der Tastsinn nicht. Berührt man ein Material, weiß man: Ist es Metall oder lackierter Kunststoff?“

So hat Sabrina Schreiner gemeinsam mit Kollegen einen Haptik-Versuchstand entwickelt, an dem man unseren Tastsinn systematisch erforscht. Hier streichen Testpersonen über Material-Proben und bewerten, wie sich die Oberfläche anfühlt. Währenddessen erfassen Messgeräte wie eine Wärmebildkamera, eine 3D-Kraftmessplatte und ein Geschwindigkeitsmesser mehrere objektive Kenndaten. Wie fest drückt die Testperson, wenn sie über das Material streicht? Wie feucht sind die Finger? Wie elastisch ist die Haut? So soll untersucht werden, wie die Beschaffenheit der Oberfläche mit deren Wahrnehmung durch den Menschen zusammenhängt.

Sensitive Männer

Ziel ist es, Kunststoff-Oberflächen künftig so zu gestalten, dass sie sich einerseits gut anfühlen, ihre haptischen Eigenschaften aber auch optimal für ihre jeweilige Anwendung geeignet sind. Etwa um Werkzeuge sicherer zu machen – so dass sie auch noch dann gut in der Hand liegen, wenn sich nach längerem Benutzen Wärme entwickelt und die Hände anfangen zu schwitzen. Oder um zu erreichen, dass die Shampoo-Flasche auch mit nassen, glitschigen Fingern nicht aus der Hand rutscht.

Eine interessante Frage: Sind Frauen wirklich sensibler als Männer? „Prinzipiell stimmt das“, so Schreiner. „Aber es gibt auch sehr sensitive Männer.“ Alles eine Sache der Übung. Denn als die Mitarbeiter des Instituts verschiedene Schleifpapiere nach aufsteigender Körnung sortieren sollten, waren die Männer aus der Werkstatt ruck-zuck fertig. Die Kollegen aber, die den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, hätten durchaus Probleme mit der Unterscheidung gehabt. „Je mehr Fokus man auf die Hände legt, desto besser kann man fühlen“, sagt Schreiner. Das heißt: Haptik kann man lernen.

Ein Ausblick: In der Haptik gibt es noch keinen genormten Rahmen. Sagt man einem Designer: „Hier darf’s ruhig ein bisschen glatter sein“, dann fragt er sich: „Ja wie glatt denn genau?“, erzählt Schreiner. So ist es ein langfristiges Ziel, Haptik objektiv messbar zu machen. „Statt normierter Farben wie RAL-2000 gibt es dann vielleicht Glatt-2000.“