Oberhausen. .

Wagen wir einen Zeitsprung: Es ist Ende der 1960er Jahre, Sie hatten einen Unfall, ihre Nieren drohen zu versagen. Nur eine Dialyse könnte Sie retten. Doch die wird in Deutschland noch gar nicht flächendeckend angeboten. Als Oberhausener wären Sie vermutlich gestorben. Dass es heute anders ist, haben wir vor allem auch Peter Ausserehl zu verdanken. Denn der langjährige Chefarzt des Johanniter-Krankenhauses in Sterkrade baute das Nierenzentrum Oberhausen federführend auf.

„Es herrschte ein akuter Ärztemangel“, erinnert sich Ausserehl. Nach dem Medizinstudium und der zweijährigen Medizinal-Assistenzzeit hatte der gebürtige Frankfurter eine Annonce aufgegeben. „Und wurde gleich mit Angeboten überhäuft.“ Eine Reise quer durch Deutschland brachte Klarheit: „Oberhausen kam in die engere Wahl.“

Beim Vorstellungsgespräch im Johanniter-Krankenhaus durfte er seinen künftigen Chef, Dr. Martin Krause, bei einer Röntgen-Besprechung begleiten. „Da sah ich Lungen, die pechschwarz vor Steinstaub waren und dachte, Mensch, mit so was können die doch gar nicht mehr leben“, erinnert sich Ausserehl.

Krause, seinerzeit Chefarzt der Inneren Abteilung, versuchte den jungen Mediziner mit seiner Zukunftsvision von einem Satellitenzentrum für künstliche Nieren zu locken. „Ich hatte zwar von künstlichen Nieren überhaupt keine Ahnung - aber, dass hier ein ganz neues Feld entstehen sollte, faszinierte mich.“ Also sagte er zu.

Es folgten unzählige Besuche in den bundesweit gerade erst vereinzelt entstehenden Dialysezentren und etliche Fortbildungen. An einem Samstagnachmittag im September 1970 erreichte Ausserehl plötzlich dieser Anruf. Ein 44-jähriger Patient litt an akutem Nierenversagen nach einer Typhuserkrankung. Klar war: „Wenn dem keiner hilft, stirbt er.“ Peter Ausserehl beschloss zu helfen. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder in Oberhausen noch in der Region eine Hämodialyse-Maschine zur Verfügung stand.

„Aber wir hatten ein ausrangiertes Gerät zur Bauchhöhlenspülung, das uns ein Vertreter überlassen hatte“, erzählt Ausserehl und: „Das war seine letzte Chance.“ Zum ersten Mal in seinem Leben führte Ausserehl einen Katheder zur Bauchhöhlenspülung ein. Nach 26 Stunden erwachte der Bochumer aus dem Koma. „Wenn ich pinkeln soll, sagte er trocken zu uns, dann müsst ihr mir schon ein König Pilsener besorgen.“ Das habe er dann auch bekommen. Die Nieren des Mannes setzten wieder ein und erholten sich schließlich vollkommen.

In seinem Eifer hatte der junge Arzt allerdings vergessen, seinen damaligen Chef zu informieren. „Das wurde mir am nächsten Tag schlagartig bewusst, ich dachte, jetzt kannst du deine Koffer packen.“ Doch weit gefehlt, als Martin Krause sah und hörte, was sein Team geleistet hatte, „war er stolz ohne Ende“. Der Chef wurde rasch zum väterlichen Freund, „dem ich beruflich viel zu verdanken habe“. Ein halbes Jahr später, am 4. Februar 1971, startete das Johanniter-Krankenhaus mit der ersten Hämodialyse durch. Ein Jahr später waren bereits 1000 Dialysen durchgeführt worden.

Peter Ausserehl setzte sich in jeder freien Minute zu seinen Patienten. Daran kann sich auch einer seiner ersten Dialyse-Patienten Bernd Imbusch noch gut erinnern: „Er kannte jeden persönlich, kannte ihre Familien, wusste, was sie beruflich machen und wie es ihnen so ging.“

Ausserehl meint: „Als gebürtiger Hesse hat mich die freundliche, aber ziemlich direkte Art der Ruhrpötter umgehauen.“ Diese Bergmanns-Mentalität, „wir fahren zusammen ein und zusammen auch wieder aus“, habe ihn tief gerührt. „Diese Menschen brachten mir ein so unerschütterliches Vertrauen entgegen, da konnte ich gar nicht anders, als mein Bestes zu geben.“

So lernte Ausserehl auch Heinz Seeleke kennen, der als freier Fotograf für die WAZ in Duisburg tätig war. „Er lebte in dem Wahn, seine Kasse würde ihm die Dialyse verweigern und nur aus diesem Grund habe er noch immer keinen Dialyseplatz erhalten“, sagt Ausserehl. Über die Uni-Klinik Essen landete Seeleke schließlich in Oberhausen. Ausserehl hörte ihm den ganzen Abend zu, um ihn zu beruhigen
. Als Seeleke morgens an der Dialyse hing, habe er durch das ganze Zentrum laut triumphierend gerufen: „He, Doktor, komm mal her, die Blutpumpe läuft, ich werde dialysiert, wir haben die Kasse besiegt!“

Museum gegründet

Geboren und aufgewachsen ist Peter Ausserehl 1940 in Frankfurt am Main. Medizin studierte er in Frankfurt, Düsseldorf und Marburg. In Marburg absolvierte er 1966 sein Staatsexamen und auch die Promotion. Bis zu seiner Pensionierung 2005 war er zuletzt viele Jahre als Chefarzt am Johanniter-Krankenhaus tätig.

Ausserehl ist seit 1979 verheiratet. Seine größten Hobbys sind sein Border Terrier Eros und zwei Rennpferde, die das Ehepaar auf möglichst allen Galopprennen begleitet.

Als der damalige Oberbürgermeister Burkhard Drescher aus der ukrainischen Partnerstadt Saporisha einen Notbrief erhielt, war das Johanniter-Krankenhaus sofort bereit zu helfen. Vier ausrangierte Dialyse-Geräte stellte das Haus zur Verfügung. Der Förderkreis Saparoshje e.V. organisierte den Transport in das Kinderkrankenhaus Nr. 5.

Veto der Bauaufsicht

Ausserehl ließ seine Beziehungen spielen und schon bald folgten zehn weitere Dialyse-Geräte. Nicht mehr brauchbare Schätzchen brachte Ausserehl ab 1986 unter dem Dach des Johanniter-Krankenhauses in einem provisorischen Museum unter. „Hier ist der dramatische Kampf ums Überleben der Menschen mit Nierenversagen dokumentiert worden“, so Ausserehl. Das allerdings nur solange, bis die Bauaufsicht dem Krankenhaus jetzt aus Brandschutzgründen die Rote Karte zeigte. „Da haben wir die Sachen verpackt und nach Fürth verschickt, dort gibt es ein großes Dialysemuseum.“

Der zunehmenden Bürokratisierung seines Berufes hält Ausserehl das Werk des US-amerikanischen Kardiologen Bernard Lown „Die verlorene Kunst des Heilens“ entgegen. Das Postulat des Friedensnobelpreisträgers ist bis heute auch seines: „Ein guter Arzt hört seinen Patienten zu.“