Josef Zottler war als Senior Expert in Russland – und hat Briefe von Kindern mitgebracht, die Freunde in Deutschland suchen.

Josef Zottler ist schon viel herumgekommen. Als Koch und Gastronom – und seitdem er Pensionär ist, noch viel mehr. Mit seinen 70 Jahren gehört der Oberhausener zu den Senior-Experts, jenen Menschen, die im Unruhestand ehrenamtlich ihr Wissen an andere weitergeben – weltweit. Seine letzte Reise führte ihn nach Russland, an den tiefsten und ältesten Süßwassersee der Welt. Vom Baikal brachte er nicht nur Anekdoten aus fremden Küchen mit, sondern auch einen großen bunten Briefumschlag, gefüllt mit Briefen von russischen Kindern.

Eine Grundschule zu besuchen, stand eigentlich nicht auf dem Terminkalender von Josef Zottler. Sein Auftrag war es, vier Wochen lang in einem neu eröffneten Restaurant erst den Köchen deutsche Rezepte beizubringen und den Gästen zu erklären, was sie da neuerdings auf dem Teller haben.

Salat mit Putenbruststreifen, Westfälischer Pfefferpott und Zürcher Geschnetzeltes – die Kollegen lernten begierig die Bestseller der westeuropäischen Küche. Mit manch fremder Sitte taten sie sich jedoch auch schwer: „Sie konnten nicht verstehen, warum wir den Teig für den Kaiserschmarrn zerstoßen”, sagt Zottler. Die Erklärung, dass der Teigfladen, wenn man ihn ganz lassen würde, leicht verbrennen kann und außerdem von innen labberig-flüssig bleibt, schindete nicht so viel Eindruck. Anders die Geschichte, die sich um die Süßspeise rankt. Vom Kaiser Franz Josef, der sie beim Urlaub in Ischl für sich entdeckte. Da war der Koch aus Deutschland wieder gut gelitten. „Die Russen mögen historische Zusammenhänge”, sagt Zottler.

Der Besuch des deutschen Gast-Kochs sorgte jedoch nicht nur in der Restaurant-Küche für Aufregung, im gesamten Ort war man auf ihn aufmerksam geworden. „Ich bin im Fernsehen aufgetreten, es gab Zeitungsartikel, ich musste sogar Autogramme geben”, erzählt Zottler von seiner plötzlichen Popularität im fremden Land.

Auf die viele Werbung folgten die Einladungen, so auch in die besagte Grundschule. Dort bestaunte Josef Zottler zunächst die Schulküche, in der vier Köchinnen unter ärztlicher Kontrolle das Mittagessen für die Kleinen zubereiteten. „Wir können von den Russen lernen”, sagt er. So gut wie kein dickes Kind habe er gesehen während seiner Reise. Zottler: „Das hat mit der richtigen Ernährung zu tun”.

Zum Abschied überreichten ihm die Mädchen und Jungen, in Festtagskleidung gewandet, ein besonderes Geschenk: einen Umschlag mit 23 handgeschriebenen Briefen, liebevoll geschmückt mit Zeichnungen und Fotografien. „Das sind keine Bettelbriefe”, sagt Zottler, „die Kinder wollen nichts haben. Sie wünschen sich nur Kontakt zu Gleichaltrigen in Deutschland.” Und diesen würde er gerne herstellen. Einzige Hürde: Man müsste russisch lesen und schreiben können. „Vielleicht”, sagt Zottler, „meldet sich ja ein Lehrer, der Aussiedler-Kinder unterrichtet.” Er würde die bunten Briefe gerne in gute Hände geben, so wie er es am Baikalsee versprochen hat.

Kontakt: 0178/3361710