Oberhausen. Etwa zehn Oberhausener werden Weihnachten wohl „auf Platte“ sein. Die Wohnungslosenhilfe der Diakonie lädt zu einer gemeinsamen Feier ein.

Während in den warmen Stuben die letzten Geschenke verpackt werden, kriechen sie tief in ihre Schlafsäcke und mummeln sich zusätzlich in dicke Decken ein. Statt im Kreise der Familie verbringen sie das Fest allein: in einer Fußgängerunterführung oder einem Luftschacht. Schätzungsweise zehn Oberhausener sind in diesem Jahr über die Festtage „auf Platte“.

„Im Vergleich zum Sommer steigt im Winter der Leidensdruck natürlich noch einmal. Viele kommen dann doch noch irgendwo unter“, erklärt Streetworker Marc Grunenberg. Neben Verwandten oder Bekannten zählen das Carl-Sonnenschein-Haus und die städtische Notunterkunft zu den gängigen Übernachtungsoptionen. Für manchen ist jedoch trotz frostnaher Temperaturen die Hemmschwelle einfach zu groß: „Sie haben Unbehagen davor, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu nächtigen. Oder sie fürchten, irgendwie in Ärger verstrickt zu werden“, erläutert Grunenberg.

Im siebten Jahr besucht der Streetworker regelmäßig den Szene-Treffpunkt am Park am Hauptbahnhof und ist Ansprechpartner in der zentralen Anlaufstelle: der Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werkes an der Grenzstraße. 514 Menschen ließen sich 2011 dort beraten, 45 von ihnen gaben an, überhaupt keine Unterkunftsmöglichkeit zu besitzen. Gemessen an der Größe der Stadt steht Oberhausen damit vergleichsweise gut da, so Grunenberg: „Wir haben hier mittlerweile ein dichtes Hilfe-Netzwerk. In anderen Städten finden sich allein am Bahnhof mehr Obdachlose als bei uns in der ganzen Stadt.“

Mehr Jugendlicheohne Unterkunft

Während die Gesamtzahl derjenigen, die keinen festen Wohnsitz haben, in den vergangenen Jahren konstant blieb, ist eine andere Entwicklung für Grunenberg und seine Kollegen beunruhigend: Die Gruppe der unter 25-Jährigen macht einen immer größeren Anteil des Klientels aus. Rund ein Viertel der Beratungsfälle ist mittlerweile dieser Altersgruppe zuzuordnen.

Eine Ursache dafür sieht Grunenberg in der aktuellen Hartz IV-Gesetzgebung: „Für die jungen Arbeitslosen zahlt das Amt nur im Ausnahmefall Wohngeld. Sie müssen zurück zu den Eltern ziehen oder begründen, warum dies nicht geht.“ Dies sei mitunter schwierig zu belegen und erfordere Zeit.

Vielen Betroffenen attestiert Grunenberg zudem eine noch nicht abgeschlossene Persönlichkeitsentwicklung: Wenig Eigenmotivation und Selbstdisziplin gingen oft mit einer großen Unbedarftheit einher. „Dass man für eine Wohnung auch regelmäßig eine Stromrechnung bezahlen muss, ist dem einen oder anderen beispielsweise nicht bewusst“, berichtet der Sozialarbeiter.

Schwermut zur Weihnachtszeit

„Wir müssen daher unsere Arbeit etwas umstellen.“ Das bedeutet: Beim so genannten Wohntraining werden nun elementare Grundlagen vermittelt: Wie halte ich meine Wohnung sauber? Welche Pflichten habe ich als Mieter? Grunenberg: „Bei älteren Leuten ist das in dieser Form meist nicht notwendig.“

Was die Wohnungslosen aller Altersgruppen jedoch eint, ist eine gewisse Schwermut, die sie zur Weihnachtszeit überkommt. „Das, was sie das ganze Jahr über verdrängt haben, schlägt dann auf einmal durch. Sie werden sich ihrer Gesamtsituation bewusst“, hat Grunenberg beobachtet. Die Folge: erhöhter Redebedarf. Auch aus diesem Grund veranstaltet die Wohnungslosenhilfe am Freitag wieder ihre eigene Weihnachtsfeier (Infos: 85008-80).