Oberhausen. .

Spiel mir das Lied vom bösen Wolf! Das ist die Melodie des Ehelebens von George, dem Geschichtsprofessor, und Martha, der Tochter des College-Präsidenten in Edward Albees schwarzer Komödie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“.

War der Termin Zufall oder mit Absicht gewählt? Ausgerechnet am Abend des 11.11., Traumhochzeitsdatum vieler Paare im Jahr 2011, hatte das Stück um Wahrheit und Illusion des Zusammenlebens, von Intendant Peter Carp inszeniert, Premiere im Großen Haus des Theaters.

Henry Meyer als George und Elisabeth Kopp als Martha gelingt es von Beginn an eindrucksvoll und mit offensichtlicher Wonne vorzuführen: Dieses Paar hat seinen Schlagabtausch von Beleidigungen, Boshaftigkeiten und Gemeinheiten längst perfektioniert.

„Es gibt niemanden, der so schnell die Spiele lernt, bis ich sie wieder ändere“, wird Martha am Ende des Stückes ihrem Mann zugestehen. Doch zunächst einmal ändert sie die Anzahl der Mitspieler, weil sie sich davon eine Genuss-Steigerung verspricht. Und so betreten als späte Gäste in der Nacht des Geschehens Nick (Martin Hohner), der neue Dozent für Biologie, und seine Gattin namens Honey (Manja Kuhl) die Arena, um chancenlos mitzuspielen.

Nick und seine Honey sind ein unterlegener Gegner für George und Martha. Sie können hier weder punkten noch entfliehen, zu groß ist ihre Angst vor dem Scheitern von Nicks noch junger Karriere und zu groß die Verblüffung über die jede Konvention verachtende Art des älteren Paares, miteinander und mit den Gästen umzugehen.

Nick kann nicht verhindern, dass er zu Georges und Marthas „Hausboy“ wird und Honey macht sich lächerlich mit „Häschen-Späßchen“, weil selbst der übermäßige Alkoholkonsum und seine Folgen hier nicht helfen.

Martin Hohner und Manja Kuhl geben diesem Paar in seinen verzweifelten Versuchen, sich irgendwie zu wehren, eine glaubwürdige, fast bedauernswerte Gestalt.

Die Inszenierung fasziniert nicht nur durch schauspielerische Leistungen, sondern auch durch die Gestaltung der Bühne. Caroline Forisch versteht es, Räume zu schaffen durch an Film erinnernde Effekte. Der Zuchauer hat die Illusion, er blicke durch ein variables Objektiv. Mal wird die Handlung herangezoomt, mal entfernt sie sich.

Die Musik (Jan Peter Sonntag) unterstreicht die Melodie des bösen Spiels, das am Ende an einem Regelverstoß zugrunde geht: Ausgelöst durch die Spielrunde „Bums die Hausfrau“ und deren Folgen beschließt George, seine Martha zu disqualifizieren. Ohne den imaginären Sohn, den George für tot erklärt, funktioniert der böse Wolf nicht mehr. Den Spielsatz namens „Wir machen die Gäste fertig“ hingegen gewinnen George und Martha. Nick und Honey gehen, George und Martha bleiben zurück mit der Erkenntnis: Wir brauchen ein neues Wir.

Doch zurück zum Premieren-Termin: Am 11.11. ist Frohsinn Trumpf, den diese Aufführung reichlich bedient. Das Publikum lacht, weil es sich am Wortwitz, an Absurdität, am Sarkasmus erfreut. Am Ende gibt’s kräftigen Applaus, viel Lob für diese schonungslose Enthüllungsschlacht und die Erkenntnis, dass in der Ehe nichts unmöglich ist.