Natürlich ist sie gekommen, die Überlegung, ein Interview mit diesem Mann zu machen, mit diesem großen deutschen Schauspieler, dem größten noch lebenden vielleicht unserer Sprache, der doch immerhin zwei Spielzeiten hier in Oberhausen gearbeitet hat, hier in diesem Theater, vor 50 Jahren.
Aber Günter Lamprecht wird im nächsten Jahr 80, zwei Lesungsstunden strengen einen Mann an, der nicht aus seiner – ehrlichen – Haut, nicht ablegen kann, was ihn umtreibt.
Und: Hätte man ihm eine schönere Liebeserklärung an dieses Theater, die Menschen hier, die Stadt, entlocken können? „Es ist das Leben eines Stadttheaters pur ... hier ist es sinnlicher, hier ist es menschlicher, hier fühlen sich nicht alle zu Höherem geboren. Diese Schauspielergilde ist noch erträglich, frei von Hochmut. Hier gilt Respekt vor des anderen Tun: Ich fühle mich wohl am Stadttheater in Oberhausen”, erinnert er sich auf der Bühne des Großen Hauses, die damals mal seine gewesen ist und die er heute mit Wehmut betritt: „Als ich durch den Bühneneingang gegangen bin, habe ich gedacht: Es hat sich nicht viel geändert hinten auf dem Hof.” Günter Lamprecht liest aus seinem zweiten Buch „Ein höllisches Ding, das Leben” an dem Marathon-Samstagabend im Theater. Er müsse in der Zeit bleiben, zwei Stunden lesen, dann signieren, um 21 Uhr sei hier noch eine Premiere.
Eine spannende Erinnerung erleben die Gäste im Großen haus an ein Vier-Sparten-Theater mit Schauspiel, Oper, Operette und Ballett, mit einem neuen Intendanten, der hier neues Theater machen will. Wenn er damals durch den Hof geht, hört er den Tenor proben mit dem Korepetitor, dazu tönen oben aus dem Probenraum die Kommandos des Ballettmeisters, eine Sängerin übt Koloraturen, ein Regisseur ist im Probenraum dem Wahnsinn nahe, und das in einem von kreischenden Sägen und Hämmern aus dem Malersaal begleiteten multinationalen Sprachengemisch, die ein Vier-Sparten-Haus in der durchaus ja immer noch deutsch-national verwurzelten Zeit schon hat.
Es ist nicht nur eine Liebeserklärung an Oberhausen und sein Theater, der nahe bei Köln lebende Mime, der immer noch ein Konto hat aus alter Verbundenheit bei der hiesigen Stadtsparkasse, gestaltet in seinem neuen Buch auch eine Hommage an die Provinz und ihre Theater. Die Schlägerei in Wiesbaden, die ihm die rote Karte der Intendanten eintrug, schmerzliche Trennungen, der für ihn unerträgliche Versuch der 68-er Protest-Schickeria, den überzeugten Linken für sich einzunehmen, die besondere Beziehung zu Fassbinder. Lamprecht liest davon mit dieser sanften Stimme, die in ihrer schwermütigen Heiterkeit einzigartig ist. Ein großer Abend.
Zum Buch:
In seinem zweiten, unbedingt lesenswerten Buch „Ein höllisches Ding, das Leben” erzählt Günter Lamprecht von Begegnungen mit Größen wie Heyme, Zadek und Fassbinder, von den unterschiedlichen Erfahrungen mit vielen Theatern. Viel Privates kommt vor und da natürlich auch das düstere Kapitel, als seine Lebensgefährtin Claudia Amm und er 1999 in Bad Reichenhall von einem Amokläufer zusammengeschossen wurden.