Ein ungewöhnlicher Job: Denise Gehrmann ist Justizvollzugsbeamtin in der JVA Oberhausen.
Als Denise Gehrmann das erste Mal den großen Schlüssel im Schloss herumdrehte, die Türe verriegelte hinter einem Menschen, das war schon ein komisches Gefühl. Inzwischen hat die 24-Jährige eine Ausbildung zur Justizvollzugsbeamtin abgeschlossen und arbeitet im Gefängnis an der Poststraße. Das Auf- und Zuschließen von Türen ist heute Routine für Denise, aber längst nicht das Wichtigste in ihrem ungewöhnlichen Job.
„Wir haben eine schlechte Lobby”, sagt Denise. „Wenn man etwas hört über den Vollzug, dann etwas Schlechtes.” So hätten auch einige Freunde mit blöden Sprüchen reagiert, als die gelernte Krankenschwester ihnen mitteilte, dass sie einen neuen Berufsweg einschlagen will – im Knast. „Naja, besser als arbeitslos”, haben sie gesagt und gelacht. „Da war ich schon enttäuscht.” Doch ihre Familie hielt zu ihr, unterstützte sie: „Die sind stolz auf mich”, sagt Denise über ihre Eltern und strahlt.
Den Schritt von der Krankenstation in den Vollzug habe sie nie bereut, sagt die junge Frau. Sie gehe jeden Tag gerne zur Arbeit. Was ihr besonders gefällt: „Dass meine Meinung gefragt ist.” Und das schon vom ersten Tag an. Schließlich fließt die Beurteilung eines Justizvollzugsbeamten, des Menschen, der am meisten mit dem Inhaftierten zu tun hat, auch in die Stellungnahmen mit ein, die das Gefängnis auf Gnadengesuche geben muss. Eine Verantwortung, die Denise sehr ernst nimmt.
Bis zu zwei Jahren sitzen die Männer in der JVA Oberhausen ein. Denise ist für 25 bis 30 von ihnen zuständig, bringt ihnen die Mahlzeiten, kontrolliert ihre Post, begleitet sie bei Telefonaten. Vor allem jedoch hat sie ein offenes Ohr. Für die Sorgen und Nöte, die sich hinter Gittern genauso finden wie davor. Da hat sie Manchen, der sonst den starken Mann markiert, schon eine Träne verdrücken sehen, weil die Frau ihm den Laufpass gab.
Was Denise auch machen muss: Schlichten, wenn es Streit unter den Gefangenen gibt. Natürlich nicht, wenn es gerade eskaliert, während die Männer unter der Dusche sind, da müssen dann ihre Kollegen ran. Aber sonst gehört es auch zu den Aufgaben der zierlichen Blondine, Streithähne auseinanderzubringen. Hat sie da keine Angst? „Angst noch nie”, sagt sie, „eher Respekt.” Klar wird ihr schon mal hinterhergepfiffen, so eine hübsche Beamtin kommt in dem männerdominierten Job nicht oft vor, und natürlich muss Denise ebenso wie ihre Kollegen die eine oder andere Beleidigung aushalten, den einen oder anderen Wutanfall. Doch das alles scheint sie überhaupt nicht aus der Ruhe zu bringen.
Vielleicht, weil sie stets ihre Aufgabe vor Augen hat: „Den Menschen dabei helfen, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern.” Vielleicht auch, weil sie es schafft, nach Feierabend den Ärger im Knast zu lassen: „Sobald ich hier rausgehe, mach' ich im Auto Musik an und dann war's das.”
Mehr als nur Wärter
Als Anfang der 90er Jahre die ersten Frauen zur Justizvollzugsbeamtin ausgebildet wurden, gehörte Hartwig Barten zu den Skeptikern. Heute sieht das der Leiter der Justizvollzugsanstalt Oberhausen, eine Zweigstelle der JVA Duisburg-Hamborn, völlig anders: „Das hat dem Vollzug unheimlich gut getan.” Denn Frauen im Knast, hat Barten festgestellt, wirken deeskalierend. Außerdem hat er beobachten dürfen, „wie die zierlichsten Frauen ihren Mann stehen”.
„Wärter” und „Schließer”, bei diesen Bezeichnungen für Justizvollzugsbeamte könnte der 61-Jährige an die Decke gehen – obwohl er doch so ein ruhiger Zeitgenosse ist. Was ihn so aufregt ist, dass mit diesen Worten längst nicht beschrieben ist, was das Berufsbild ausmacht.
„Es kommen so viele andere Aufgaben hinzu”, sagt Barten. Gesprächspartner zu sein zum Beispiel, oder das richtige Krisenmanagement zu beherrschen. „Es darf einen nichts aus der Ruhe bringen”, sagt er. „Und zu der Belastung, mit schwierigen Menschen umgehen zu müssen, kommt noch der Schichtdienst.”
Trotzdem: Bei den meisten herrsche das Bild vor, dass hier Menschen nur eingesperrt und bewacht werden. TV-Serien wie „Hinter Gittern” trügen ihren Teil dazu bei. Barten: „Das hat nicht ansatzweise etwas mit Knast zu tun.” Kein Wunder, dass viele mit falschen Vorstellungen kommen. Doch hierfür gibt es eine Probezeit, in der man sich vor der Ausbildung bewähren muss. Das haben seine fünf Damen (von 35 Beamten) längst getan.