Oberhausen.

Die Frau in der roten Jacke murmelt vor sich hin. Langsam bewegen sich ihre Lippen. Sie scheint die Zeilen auf der Rückseite des Buchcovers in tiefer Konzentration zu verschlingen. Vorsichtig dreht sie sich zu ihrem Partner zur Seite und spricht leise einige Worte in sein Ohr.

Auch wenn es im Vorraum der Niebuhrg mucksmäuschenstill ist, bekommen die Nachbarn vor dem langem Tapeziertisch, auf dem sich ein Schmöker an den nächsten reiht, davon nichts mit. Nach einigen Minuten landet auch das Buch wieder auf der Verkaufsfläche. „Wir kommen vielleicht später wieder“, sagt sie - diesmal selbst für die Standnachbarn unüberhörbar. „Der Pferdeflüsterer“ von Autor Nicholas Evans wechselt vorerst nicht den Besitzer.

Die Lohnhalle der Niebuhrg gehört am Sonntag dem bedruckten Papier. Denn die Niebuhrg wird kurzerhand zur Bücherbuhrg umfunktioniert. Der Bücher- und Spielemarkt lockt Händler und Autoren an. Kein reines Verkaufsparadies, sondern ein Thementag mit Abwechslung und Kurzweil. Schriftsteller haben sich die Lesebrille auf die Nase gesetzt und geben in den kargen und doch stimmungsvollen Nischen des Gebäudes Kostproben aus ihren Werken. Es geht um Liebe, Emotionen - und auch Fußball. „Doof spielt gut“, schallt es aus einer verwinkelten Ecke der Halle. Ein hellhörig gewordener Familienvater kann sich jedoch nicht den launigen Zeilen mit der kugelrunden Lieblingsbeschäftigung bundesdeutscher Männer widmen. Sein Sohn zerrt ihn stattdessen zu einem breiten Regal, das ausnahmsweise nicht mit Büchern, sondern mit Brettspielen beladen ist. „Spiel des Lebens“ steht hier direkt neben „Mensch ärgere dich nicht“. Das klassische Würfelspiel wurde vor 101 Jahren erfunden - und kann sich trotzdem gegen Playstation und PC behaupten. Wenn es denn im heimischen Wohnzimmer im Schrank steht.

Werner Winkler muss hier auf dem Bücher- und Spielemarkt nicht nachbessern. „Dieses Spiel besitzen wir natürlich“, sagt er. Gemeinsam mit seiner Frau Birgit ist er zum Stöbern gekommen. Obgleich das Anhängsel an seiner Hand, doch etwas anders vermuten lässt. „Du kommst nur zum Schauen - und plötzlich ist die Tüte voll!“So läuft das Spiel.

Nebenan trägt eine Frau eilig einen großen Weltatlas nach Hause. Draußen fliegen die abgefallenen Blätter der Bäume am Fenster vorbei, drinnen packt die Bücherfreunde das Fernweh. Einen dicken Schmöker über Spanien nehmen gleich einige Marktbesucher heute in die Hand, blättern durch die Panorama-Ansichten von weiten Sandstränden, beäugeln die Massen in luftiger Bademode und wünschen sich in Gedanken selbst in kleine südliche Hafenlokalitäten.

Einmal träumen und zurück. In der Niebuhrg dauert die Reise heute nicht lange. Für bevorstehende Regentage liegt „Der kleine Wassermann“ auf dem Verkaufstisch - für trübe Nachmittage einige „Lustige Taschenbücher“ aus Entenhausen. Es muss ja nicht immer der staubige Roman sein. Das denken sich vor allem die Kinder. Und mal ehrlich: „Petzi im Unterwasserboot“ klingt doch wirklich vielversprechender als „Krieg und Frieden.“ Damit man nicht die Übersicht verliert, haben die Händler sorgsam nach Genre sortiert. Andere schreiben kleine Hinweisschilder auf ihre Tische. „Krimis, Tiere, Frauen“ - alles da.