Wegen Beleidigung, Widerstand und Schlägen gegen Polizeibeamte mussten sich zwei Heranwachsende aus Oberhausen vor dem Amtsgericht verantworten. Was dort zunächst wie eine Jugendverfehlung klang, zeigte sich im Laufe der Verhandlung nur als Spitze von weiteren Konfrontationen mit dem Gesetz, aber auch als trauriges Ergebnis harter Lebensgeschichten der jungen Angeklagten.

Am Samstagmorgen vor Karneval hielten sich der 19-Jährige S. und die 18-Jährige M. gegen 4.45 Uhr mit einer Gruppe auf dem Petersplatz auf. Getrunken wurde eine Menge, nach Aussage des Angeklagten hatte man schon am Vortag damit begonnen. Als die Polizei dort eintraf und einen Platzverweis aussprach, eskalierte die Situation. Die Beamten hätten ihn in eine Richtung schicken wollen, erklärt der 19-Jährige heute, „ich wohne aber genau entgegengesetzt, 80 Meter vom Platz entfernt. Ich wollte einfach nur nach Hause.“

Doch die Beamten ließen nicht locker, nahmen den Widerständigen fest und drückten ihn zu Boden. Daraufhin eskalierte die Situation: Die Bekannte M. ging erst in derber Fäkalsprache gegen die Polizei vor und versuchte dann S. zu befreien. Auch sie wurde von den Polizisten auf den Boden gedrückt. Im Gerangel schlugen die beiden betrunkenen Heranwachsenden gegen die Beine und ins Gesicht der Polizisten.

Widerstand und Beleidigungen von Jugendlichen wie in diesem Fall gehören in Oberhausen zwar nicht zum Alltagston: 2010 wurde in Oberhausen wegen gewaltsamen Widerstands gegen 16 Verdächtige unter 18 Jahren und 17 unter 21 Jahren ermittelt. Wegen Beleidigung waren es 20 junge Menschen unter 21. Das sind in beiden Delikten jeweils etwas mehr als ein Drittel solcher gemeldeten Fälle. In den vergangenen vier Jahren sei ihre Zahl aber stabil geblieben, so die Polizei.

Der Respekt sinkt

Und doch sieht der Jugendkriminalbeamte Jürgen Richter sinkenden Respekt bei Jugendlichen gegenüber Polizisten. Warum? „Eine philosophische Frage“, so Richter, mangelnder Respekt sei gesamtgesellschaftlich zu bemerken. An Respekt fehlte es der 18-Jährigen M. nicht zum ersten Mal: Nur wenige Wochen nach dem Ärger am Petersplatz beleidigte sie erneut Polizisten, die sie und ihre Freundin wegen Rauchens im Hauptbahnhof ansprachen. „Jetzt wirst du gef... von den Bastarden“, soll sie gesagt haben. Als sie zur Rede gestellt wurde, antwortete sie: „Ihr seid für mich Bastarde. Nur wegen dem Rauchen haltet ihr uns an.“ Im Gericht war M. dies aber sichtbar peinlich, „ich entschuldige mich“, sagte sie zu dem Beamten.

Die Dunkelziffer bei Polizistenbeleidigungen sei „riesig“, sagt Richter, viele Kollegen ignorierten verbale Seitenhiebe häufig, aber nicht immer. Anzeigen hätten auch eine erzieherische Dimension: „Sonst prägt sich das Verhalten ein oder wird sogar schlimmer“, glaubt Richter. Doch wann kann ein Polizeieinsatz eskalieren und wäre dies im aktuellen Fall vermeidbar gewesen? Richter hat Zweifel: „Wir gehen grundsätzlich deeskalierend an Situationen ran. Wenn aber alles Reden nicht ankommt, müssen die Kollegen konsequent handeln, sonst machen sie sich lächerlich.“ Was prinzipiell richtig ist, kann jedoch ein Dilemma werden, wenn sich die Angesprochenen widersetzen, räumt Richter ein, „dann kommt es zu Gewalthandlungen“.

Widerstand kann einen tragischen Kreislauf einleiten: Wegen eines Verkehrsdelikts mit Beamtenbeleidigung wurde S. bereits zuvor angeklagt. Als dies öffentlich wurde, verlor er seine Ausbildungsstelle. „Er war seitdem ohne Bodenhaftung“, versuchte der Anwalt die spätere Eskalation am Petersplatz zu erklären.

Erziehung vor Strafe

Erziehung vor Strafe“ gilt bei Jugenddelikten als Maßstab. Die Geständigkeit der Angeklagten und der Einfluss von Alkohol sorgten für ein milderes Urteil: S. erhielt eine Geldstrafe, M. die Auflage, ein Anti-Aggressions-Training und die Drogenberatung zu besuchen. „Wir hoffen, dass sie dies beflügelt, ihr Leben in den Griff zu bekommen“, so die Richterin.