Es war laut, heiß, und dreckig – und das 72 Stunden in der Woche, zwölf Stunden am Tag. Die Männer, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Industriebetrieben arbeiteten, leisteten Knochenarbeit. Statt Maschinen- war vor allem Muskelkraft gefragt. Wie die Menschen damals gelebt und gearbeitet haben, konnten Besucher des LVR-Industriemuseums am Sonntag bei der Themenführung „Bleisaum, Nachtschicht, Stress: Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen“ erfahren.
Giftigen Dämpfen
ausgesetzt
„Man kann die Menschen eigentlich nur bedauern“, meint Museumsführer Günter Post, der den Besuchern den Alltag von Männern und Frauen schildert, die in der Eisen- und Stahlindustrie malochten. „Die Belastungen für die Menschen waren unglaublich hoch.“ Die Arbeiter etwa, die in der Zinkfabrik Altenberg Tag für Tag flüssiges Zink in wiederverwertbare Gussformen füllten, seien häufig giftigen Dämpfen ausgesetzt gewesen. „Vielen Arbeitern wurde die Lunge verätzt“, erklärt Post. Andere litten unter kaputten Zähnen, weichen Knochen und insgesamt dem körperlichen Verfall: typische Anzeichen einer Bleivergiftung. Bereits mit 45-Jahren seien die meisten Männer nicht mehr in der Lage gewesen ihrer Arbeit nachzugehen. „Drei Jahre später waren sie oft schon tot“.
„Du wärst damals schon längst Vorarbeiterin gewesen“, erläutert Günter Post der 14-jährigen Lena, die von dieser Aussicht wenig begeistert ist. Wehren aber hätte sie sich damals nicht können. „Ein Mitspracherecht gab es nicht. Es wurde angeordnet und gehorcht“, erklärt Post, während er den Besuchern große Zinkplatten in die Hand drückt. Eine kalte Platte mit den Händen hochzuheben, sei keine Kunst. „Wenn man die heiße Platte aber einmal mit der Zange anpackt, wird sie um ein Vielfaches schwerer.“
Obwohl die Arbeit sehr hart gewesen sei, hätten die Arbeiter damals – selbst wenn sie gekonnt hätten – gar keinen Urlaub nehmen wollen, sagt Post. „Sie hätten die Schwielen an den Händen verloren“ – die Schmerzen wären nach den freien Tagen dann umso schlimmer gewesen.
Immer wieder
tödliche Unfälle
„Die Schwerindustrie war immer sehr unfallträchtig“, sagt Post. So manche Stahlkonstruktion habe die Aufbauphase nicht überstanden, immer wieder habe es Verpuffungen gegeben und auch sonst lauerten überall Gefahren. „Es kam häufig nicht nur zu Material-, sondern auch zu Personenschäden.“ Ständig gefährdet waren etwa die Arbeiter, die die Hochöfen, in denen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius herrschten, von oben mit Eisenerz und Holzkohle befüllten. „Heute darf man ohne Atemschutz und spezielle Bekleidung nicht mal mehr in die Nähe“, weiß Post.
Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen hätten die Mitarbeiter, die das aus dem Ofen fließende Eisen weiterverarbeiteten und die Schlacke entsorgten, eine nahezu ungefährliche Aufgabe übernommen. „Sie durften nur nicht mit dem Fuß in die Rinnen kommen, durch die das heiße Eisen floss“, erzählt Post. „Die Dämpfe, die sie häufig einatmeten, konnten allerdings ziemlich eklig sein.“
„Ich fand es alles ziemlich interessant, weil wir das in der Schule so nicht behandeln“, sagt Lena (14) nach der Führung. Die Tatsache, dass viele Arbeiter bereits sehr jung gestorben seien und zuvor unter schlimmen Krankheiten litten, habe sie schockiert. „Ich würde auf keinen Fall unter solchen Bedingungen arbeiten wollen!“
Auch Jasmin ist sichtlich froh, dass sie damals noch nicht lebte: „Ich finde es schlimm, dass die damals keine Maschinen hatten und alles mit den Händen machen mussten“, sagt die Achtjährige und schätzt: „Die Arbeiter damals waren wohl nicht die glücklichsten.“
„Man kannte damals einfach keine besseren Bedingungen“, meint Uwe Winkler, der vermutet, dass die Leute möglicherweise sogar froh gewesen seien, ihre Familie überhaupt versorgen zu können.