Termine, Verantwortung, Hektik, Stress und Eile im Beruf, die Gedanken kreisen, kommen nicht zur Ruhe, ein Projekt folgt dem nächsten. Keine Pausen.
Der Ehrgeiz und der Wille durchzuhalten, dem Ziel „Erfolg“ näher zu kommen oder einfach nur für das Unternehmen und den Chef alles zu geben, bestimmen das ganze Leben und irgendwann auch den Körper. Am Ende steht bei manchem die Diagnose Burnout.
„Es war ein schleichender Prozess“, beschreibt ein Betroffener. 30 Jahre lang arbeitete der Oberhausener als Geschäftsführer im Produktionsbereich einer großen Firma, war verantwortlich für 60 Mitarbeiter. Kundengespräche und Hektik waren an der Tagesordnung. „Wenn die Arbeit Spaß macht, dann macht man gerne mehr. Ich rutschte da einfach rein.“
Die Akzeptanz fehlt
Arbeitstage von sieben bis 21 Uhr wurden von der Ausnahme zur Regel. Auch samstags lag das Diensttelefon griffbereit. Hobbys wie Musik, Tanzen und Motorradfahren stellte der 56-Jährige hinten an. Das gemeinsame Leben mit der Ehefrau litt zunehmend. Bei der Arbeit überspielte der Oberhausener seine Probleme. Der Job hatte ihn fest im Griff, auf die Bremse treten konnte der Geschäftsführer nicht. Seine Erfahrung: „In unserer Gesellschaft darf man keine Schwäche zeigen.“
Diesen Schritt übernahm dann sein Körper für ihn – Schlafstörungen, Gliederschmerzen, Tinnitus. „Ich ging zu vielen Ärzten. Zunächst tat ich alles als verschleppte Erkältung ab. Doch als keiner eine physische Ursache für meine Schmerzen fand, kam ein Arzt auf Burnout.“
Unternehmungen und Sport als Möglichkeit sich auszupowern, sich auf andere Gedanken zu bringen – diese Hilfsangebote waren nichts für den 56-Jährigen. „Mein Körper war ja sowieso schon kaputt. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, war ich fertig. Ich konnte mich zu nichts aufraffen, an Sport war da überhaupt nicht zu denken.“
Der Tinnitus, oft eine Folge von psychischem Druck, machte es ihm noch schwerer abzuschalten. „Ich fand überhaupt keine Ruhe mehr. Tagsüber der Stress im Job und abends im Bett hörte ich das laute Piepen.“ Mit Musik versuchte er den monotonen Ton zu überspielen.
Eine Umstrukturierung in der Firma gab dem Oberhausener dann die Möglichkeit, sein Leben zu ändern, die Geschwindigkeit ein wenig aus dem Alltag zu nehmen. „Als ich gefragt wurde, ob ich im neuen Bereich wieder als Geschäftsführer arbeiten wolle, sagte ich ab.“ Als Grund gab er an, dass Jüngere die Chance kriegen sollten, sich zu beweisen. Denn zugeben, dass er an Burnout leidet, will er nicht. „Das kann ich nicht. Die Akzeptanz fehlt in unserer Leistungsgesellschaft. Ich wäre sofort ‘raus’.“
Aus diesem Grund möchte er auch seinen Namen nicht nennen. Ebenso wenig gibt er sich und seinem Körper die Möglichkeit zu einer Kur. „Ich kann nicht zwei Monate einfach aus der Firma gehen.“ Stattdessen sucht er die kleinen Inseln im Alltag.
Eine dieser Inseln ist Yoga. „Zunächst ging ich mit den typischen Vorurteilen zum Kurs und dachte, dass mir das zu spirituell sei. Doch die Bewegungen und die Meditation helfen mir wirklich sehr. Schon nach wenigen Unterrichtsstunden bin nicht mehr so müde. Sogar im Job bin ich gelassener, die innere Unruhe ist weniger geworden. Und wenn ich sie doch merke, mache ich eben die Übungen und es geht wieder.“
Mit Yoga gegen das Burnout-Syndrom - Meditation und Körperübungen helfen, sagt Sandra Weegels, die selbst erkrankt war und jetzt spezielle Kurse anbietet.
Die Augen tränen, die Haut tut weh, der ganze Körper scheint zu brennen – auszubrennen. So beschreiben Betroffene die körperlichen Symptome eines Burnouts. „Man fühlt sich wie ein Rechner, der zu heiß läuft, die Festplatte ist voll.“ Sandra Weegels vom Yoga-Studio „Mind“ hat dieses Gefühl selbst erlebt.
Als selbstständige Fitnesstrainerin arbeitete sie viel, war immer unterwegs und gab, ebenso wie der ehemalige Geschäftsführer (siehe Bericht oben), alles für ihren Beruf. „Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr. Ich merkte, ich muss mich jetzt hier verabschieden und etwas anders machen.“ Ein durch einen Autounfall verursachtes Schleudertrauma zwang die 39-Jährige zusätzlich zur Ruhe. Nach drei Wochen mit einer Halskrause im Bett stand sie auf und machte einen Kopfstand. „Diese Übung aus dem Yoga brachte meinen Energiefluss wieder in Fahrt und mir ging es sofort besser.“
„Zeitalter des Egowahns“
Mit einer Ausbildung zur Yoga-Lehrerin verband Weegels Arbeit und die Dinge, die ihrem Körper gut tun – in ihren Kursen will sie anderen Gestressten helfen. „Es kommen ständig neue Leute, die sich dem Druck im Alltag und im Beruf nicht mehr gewachsen fühlen und antriebslos sind. Das ist ein richtiger Boom.“ Für Sandra Weegels liegt der Grund auf der Hand: „Wir leben im Zeitalter des Egowahns. Die Ansprüche an uns sind extrem hoch und so verlieren wir die Verbindung zwischen Gefühl und Verstand.“ In den Kursen soll das Körperbewusstsein gestärkt werden. In Ruhe auf den Matten liegend wird das bewusste Atmen geübt, der Abstand zum Alltag und mit Übungen das Gleichgewicht gesucht. Aber auch die Gespräche mit anderen, die unter Burnout leiden, helfen. Der 56-jährige Oberhausener (siehe oben) schätzt das sehr. „Es ist wie eine Therapie ohne Therapeut. Man trifft Gleichgesinnte.“
Nach den 90 Minuten sind die Teilnehmer irgendwie verändert. Sie kommen überdreht hereingewuselt und gehen entspannt und ruhig. „Manche sagen nicht einmal Tschüss, sondern heben nur die Hand“, erzählt Weegels zufrieden.