Ausgerechnet Maximilian haben die Benders ihren Sohn genannt. Dabei kam das Frühchen als Winzling zur Welt – mit nur 350 Gramm. Damit hält er Oberhausens Rekord im Leichtgewicht.

Unfassbare 350 Gramm wog Maximilian Bender bei seiner Geburt im Evangelischen Krankenhaus am 11. August. Damit ist das Frühgeborene, das gemeinsam mit Zwillingsschwester Katharina am Ende der 25. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblickte, das kleinste Kind, das jemals in Oberhausen geboren wurde. Inzwischen bringt Maximilian etwas mehr als ein Kilo auf die Waage und entwickelt sich prächtig. Rusen Tayfur sprach mit Christiane von Noorden, Oberärztin Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO), über die Gründe, Risiken und Folgen von Frühgeburten.

Wie geht's Maximilian?

von Noorden: Für sein Geburtsgewicht und für sein Schwangerschaftsalter sehr gut. Maximilian wiegt jetzt ein Kilo, das ist fast das dreifache vom Geburtsgewicht. Er hat stundenweise eine Atemunterstützung, doch er entwickelt sich gut. Jetzt muss er noch zunehmen, seine Atmung muss sich stabilisieren und er muss alleine essen können – dann kann er wahrscheinlich im Dezember nach Hause.

Kommen Frühgeburten bei Zwillingen häufiger vor?

Sie sind kein Einzelfall. Zwillingsschwangerschaften sind risikobehafteter und somit kann es auch eher zu einer Frühgeburt kommen. Umso mehr Kinder im Mutterleib sind, desto eher kann das vorkommen, schon alleine, weil es räumlich zu eng wird.

Seit einem Jahr gibt es die „Twin Clinic” am EKO. Was macht sie Besonderes?

Die Twin Clinic ist ein innnerhalb des Perinatal-Medizin spezialisiertes Zentrum für Mehrlingsgeburten. Es besteht aus einem Team von spezialisierten Gynäkologen, die unter anderem hochauflösende Ultraschalluntersuchungen durchführen, um die Babys herauszufinden, die früher geboren werden müssen, da es Gefahren für die Kinder gibt. Nach der Geburt übernehmen wir von der Frühgeborenen-Intensivstation nahtlos. Bei Zwillingen stehen dann zwei Teams für die Erstversorgung zur Verfügung. Auf der Frühgeborenen-Intensivstation haben wir hochqualifiziertes Personal. Der Großteil der Pfleger und Ärzte verfügt über langjährige Erfahrung.

Ab wann spricht man von einer Frühgeburt?

Eigentlich dauert eine Schwangerschaft 40 volle Wochen. Alles unter 37 vollendeten Wochen gilt als Frühgeburt. Bei weniger als 1500 Gramm Geburtsgewicht spricht man von extrem unreifen Frühgeburten. Die brauchen viel hochspezialisierte Unterstützung, manchmal sogar eine Eins-zu-eins-Betreuung, bei der dann ein Arzt oder eine Schwester 24 Stunden am Tag am Bettchen steht und auf das reagiert, was das Kind macht.

Was sind Ursachen für Frühgeburten?

Zum Beispiel ein vorzeitiger Blasensprung, eine Infektion der Mutter, spezielle Erkrankungen wie eine so genannte Schwangerschaftsvergiftung, Mehrlinge oder eine beim Ultraschall gesehene schlechte Durchblutung des Kindes.

Wie ist die Überlebenschance für Frühgeborene?

Insgesamt sehr gut. In den letzten Jahren haben die Kinder mit mindestens 24 vollendeten Schwangerschaftswochen bei uns fast alle überlebt. Unter 24 vollendeten Schwangerschaftswochen kommt man an die Grenze der Lebensfähigkeit. Aber auch hier passiert es wie bei allen anderen Geburten auch, dass einige Kinder besser entwickelt sind als andere. Die individuelle Reife entscheidet dann, ob das Kind überlebt oder nicht.

Worunter leiden Frühgeborene am meisten?

Am Anfang steht die Atmung und die Kreislaufsituation im Vordergrund. Da brauchen die Kinder die meiste Unterstützung. Manchmal führen Infektionen zu Komplikationen, weil die Frühgeborenen noch ein unzureichendes Immunsystem haben.

Welche Rolle spielen die Eltern in den ersten Wochen?

Der Bezug zu den Eltern ist ganz wichtig. Wir führen deshalb viele Gespräche mit ihnen. Auch, damit sie wissen, was sie erwartet. Es ist ganz wichtig, dass sie von Anfang an mit auf der Station sind und das Kind so früh wie möglich auf den Arm nehmen. Dieses so genannte Känguruhen ist für die Kinder enorm wichtig, so wird ihr Lebenswille entwickelt.

Welche Spätfolgen kann eine Frühgeburt haben?

Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko, Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung oder Lernstörungen zu entwickeln. Sie können unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder Hyperaktivität leiden. Gerade bei sehr unreifen Frühgeborenen gibt es auch Kinder, die in der frühen Phase Hirnblutungen hatten und dann zum Teil in der Folge spastische Bewegungsstörungen, Probleme mit der Feinmotorik oder andere Behinderungen haben können. Um Kinder mit solchen Problemen früh erkennen und früh behandeln und unterstützen zu können, bieten wir regelmäßige Nachuntersuchungen an.

Gibt es heute mehr Frühgeburten als vor 20 Jahren?

Vor 20 Jahren hat kaum ein Kind unter 30 Schwangerschaftswochen überlebt. Durch hochspezialisierte Technik ist es zunehmend möglich, dass immer unreifere Kinder überleben. Zudem gibt es mehr künstliche Befruchtungen und dadurch auch mehr Mehrlingsgeburten, Frühgeburten und Risikoschwangerschaften.

Sind die Grenzen der Technik erreicht?

Ich glaube, ja. Noch jüngere Kinder könnten wir nicht mehr beatmen. Da müsste man andere Möglichkeiten entwickeln. Irgendwann wird es dann aber auch zu einer ethischen Frage.