Zunehmende Gewalt, Schlafstörungen und Überalterung machen der Oberhausener Polizei zu schaffen.
Dramatisch seien die Ausfälle im Polizeidienst durch Krankheit zumindest in Oberhausen nicht, schwächt Polizeipräsidentin Heide Flachskampf-Hagemann die Warnmeldung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ab. Kürzlich hatte DPolG alamierende Zahlen über die gesundheitliche Situation der Beamten in NRW gemeldet: Viele der rund 38 000 Polizisten seien demnach am Ende ihrer Kräfte und 20 Prozent häufiger als sechs Wochen im Jahr dienstunfähig: „Burnout-Syndrom, Erschöpfung Überforderung zermürben die Gesundheit der Einsatzkräfte”, kritisierte DPolG-Leiter Rainer Wendt.
„Die Langzeitausfälle liegen hier bei 10 Prozent”, schildert Heide Flachskampf-Hagemann die Situation vor Ort, wobei auch solche Fälle dazu zählten, die nicht berufsbedingt seien: der Sportunfall oder Alterserscheinungen. Denn auch bei den Oberhausener Schutzmännern verkehre sich zunehmend die Alterspyramide: Die „harten Typen” werden älter und damit körperlich anfälliger. Für Polizisten über 50 Jahre hat Oberhausen etwa einen besonderen Wechseldienst eingeführt, der „Stoßzeiten” wie den Freitagabend unterstützt. „Von dieser Gruppe macht niemand länger Spätdienst als bis zwei Uhr”, so die Polizeipräsidentin.
Neue Aufgaben wie Prävention und Bewältigung von Amokläufen seien hinzugekommen, andere wie die „öffentliche Ordnung” weggefallen. Ob sich die Krankheitsfälle wegen zu hoher Belastung in den letzten Jahren häufen, will die Polizeipräsidentin jedoch nicht bestätigen, denn Vergleichszahlen zu den Vorjahren habe sie nicht. „Zu den tagtäglichen Belastungen zählt aber der durchgehende Wechseldienst”, weiß sie. Schlafstörungen etwa sei die mögliche Folge für 150 Polizisten, die auf der „Rund-um-die-Uhr”-Streife sind. Auch der psychische Druck habe zugenommen, die Gewaltbereitschaft gegen Polizisten sei gestiegen.
„Schusswaffengebrauch und schwere Unfälle belasten die Beamten, wir sind aber nicht Düsseldorf oder Essen”, erklärt Wolf Beekes. Doch auch ohne Vergleichszahlen spürt der Oberhausener Personalrat und frühere Opferschutzbeauftragte subjektiv eine Steigerung von physischen und psychischen Krankheitsfällen – auch von Burnout. Nur herrsche immer noch ein Männlichkeitsideal vor bei den Freunden und Helfern: „Ich verkrafte das”, heißt es nach außen.
„Die Probleme haben wir erkannt”, erklärt Flachskampf-Hagemann, bei besonderer Belastung könne ein Landesteam zum psychologischen Gespräch bestellt werden. Ein Kontingent an Heil- und Sportkuren für Stressbewältigung und Gesundheit stehe zur Verfügung, „und seit drei Jahren haben wir einen Gesundheitszirkel eingeführt”. Kritik übt Beekes an der Einstellungspolitik des Landes: „Wir haben bei dieser Personaldecke die Wahl zwischen kalten Füßen und kaltem Nacken.” Die Einsatzzahlen sind gestiegen, auch die Arbeitszeit von 38,5 auf 41 Stunden, die Dienstzeit auf 62 Jahre.
Die Belastung wächst
„Die Zeit wird kommen, dass Polizisten Streife bis zum letzten Tag fahren müssen.” Heinz Rump spricht als Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei in NRW offen über zukünftige Notstände. Schon jetzt seien die Polizisten im Land überaltert und die „sozialen Nischen” – die Arbeit am Schreibtisch – werden weiter abgebaut. Im Jahre 2015 wird der Anteil der über 50-Jährigen landesdurchschnittlich 47 Prozent betragen. Rump warnt vor einer Polizei, die ihren Aufgaben körperlich nicht mehr gewachsen sein könnte.
Aus seiner Sicht haben die Freunde und Helfer in NRW drei Probleme: Der Krankenstand, die Altersstruktur und die Pensionierungswelle der kommenden Jahre. Noch reichen 1100 Studienplätze in diesem Jahr aus: Sie fangen im Jahre 2012 etwa 900 Pensionäre auf. Doch schon 2014 scheiden 100 Polizisten mehr aus, als bei gleichbleibender Einstellungszahl hinzu kämen. 2020 müssten 2016 Arbeitsplätze ausgeglichen werden.
„Fälle von Burnout haben mit dem Polizeiberuf zu tun. Der Streifenpolizist weiß bei Dienstantritt nicht, was auf ihn zu kommt”, schildert Rump, „ein schwerer Unfall oder eine familiäre Auseinandersetzung. Womöglich ist jemand bewaffnet.”
2004 gab es 4407 Gewalthandlungen gegen Polizisten, 2008 sind es bereits 6414. Ursachenforschung betreibe gerade das Kriminologische Institut in Niedersachsen (KFN).