Oberhausen. . „Ich merkte schon im Kindergarten, dass ich anders war.“ Paula (61) aus Oberhausen wurde mit einem Männerkörper geboren, fühlte sich aber Zeit ihres Lebens als Frau. Erst spät führte eine Selbsthilfegruppe sie aus ihrem Dilemma.

Paula erzählt die lange Geschichte ihrer Transsexualität, spricht von den vielen Lebensseiten, die erst beschrieben werden mussten, ehe das Wort Happy End auftauchen durfte. Paula erinnert sich daran, wie sie in einer sehr katholischen Familie aufwächst. Als Einzelkind. „Meine Mutter hatte sich ein Mädchen gewünscht, für einen Jungen hatte sie gar keinen Namen.“ Allein die Paten des Jungen haben auch einen Mädchennamen parat: kurioserweise Paula, den Namen, den die Oberhausenerin später auch wählt, als sie endlich sein darf, was sie ist.

„Ich merkte schon im Kindergarten, dass ich anders war.“ In der Grundschule setzt sich das Anderssein fort. „Vor Jungen hatte ich regelrecht Angst, zu den Mädchen fühlte ich mich hingezogen.“ Paula kapselt sich ab. Als sie neun Jahre alt ist, wird sie einmal von ihrer sechsjährige Cousine angelächelt. „Das Mädchen saß da in einem wunderschönen blauen Kleid, war einfach freundlich, aber ich habe das Lächeln als Hohnlächeln empfunden. Ich habe mir gedacht, du darfst nie so ein schönes blaues Kleid tragen.“

Spärliche soziale Kontakte, unterdrückte Gefühle

Paula weiß nicht, was mit ihr ist. Sie hat bis zum 14. Lebensjahr nicht einmal eine Ahnung davon, dass es zwei Geschlechter gibt. Ihr ist nicht klar, dass körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau existieren. „Ich dachte, der Charakter entscheidet darüber, ob man männlich oder weiblich ist.“

Im Alter von 16 Jahren setzen bei der Oberhausenerin die Fantasien ein: „Ich imaginierte mich als Mädchen im Grundschulalter, das seinen Lebensweg noch vor sich hat.“ Die Fantasien bereiten ihr Glücksgefühle. Paula ist gut in der Schule. Sie macht eine Lehre, studiert später Volkswirtschaft. Soziale Kontakte hat sie kaum. Nur in einem Schachverein engagiert sie sich. „Ich spielte extensiv Schach.“ Sie verliebt sich auch. Einmal in eine Frau. Einmal in einen Mann. Behält ihre Gefühle jedoch für sich.

Die Jahre vergehen. Paula ist unglücklich. Lebt lange bei den Eltern. Lernt schließlich doch eine Frau kennen. Heiratet. Es werden zwei Kinder geboren. „Ich danke Gott dafür, dass die Kinder ganz natürlich aufgewachsen sind und von meinen Problemen nichts mitbekommen haben.“

Die Eheleute verstehen sich gut. Aber Paula wird dennoch immer unglücklicher. Heimlich trägt sie Kleidung ihrer Frau. Ist sie allein im Auto unterwegs, brüllt sie manchmal: „Ich bin eine Frau.“ Wenn sie mit Herr . . . angesprochen wird, will es aus ihr herausplatzen: „Ich bin nicht Herr . . .“

Rettung durch Selbsthilfegruppe

Sie entwickelt Schlafstörungen, nimmt Tabletten, Antidepressiva, trinkt zu viel Alkohol. Und erst mit 40 Jahren hört sie zum ersten Mal etwas von Transsexualität. Mit 45 Jahren holt sie aktiv Informationen zu diesem Thema ein. Paula macht immer wieder Psychotherapien. Wird an eine Transsexuellen Selbsthilfegruppe verwiesen. „Das war, als würde eine Tür aufgehen. Da saßen Menschen, die sagten, wenn ich morgens in den Spiegel schaue, könnte ich da mit der Faust reinschlagen.“ Paula kann das so gut verstehen. Hasst sie doch selbst ihr männliches Aussehen.

Den Durchbruch bringt ihr die Kölner Psychodramagruppe. Diese spezielle Therapieform versetzte die Oberhausenerin endlich in die Lage, zu sagen: „Leute, es wäre toll, wenn ihr mich Paula nennen würdet.“ Dann geht es Schritt für Schritt weiter. Paula kauft sich einen Rock, offenbarte sich einer Freundin, die positiv reagiert: „Das ist toll, dann habe ich eine neue Freundin.“

Mitte 2005 fühlt sie sich noch wie ein Boot, das auf den Stromschnellen auf einen Abgrund zu treibt. 2006 ändert sich das, ist dann der Entschluss gefasst, den Weg auf die andere Seite zu wagen. Und so schlüpft Paul zunächst rein optisch in die Rolle einer Frau. Nimmt später Hormone. Beantragt einen neuen Personalausweis. Lässt sich 2009 operieren. Wacht mit einem Glücksgefühl aus der Narkose auf. Hat weiterhin einen guten Kontakt zu den Kindern und der übrigen Familie sowie zu Freunden, die Depressionen sind weg. Ein schönes blaues Kleid hat sie sich allerdings nie gekauft. „Interessanterweise habe ich überhaupt kein Kleid, nur Röcke und Hosen.“

Schritte der Angleichung

Auf einem Merkblatt zu Transsexualität und Geschlechtsumwandlung sind all die Schritte aufgelistet, die es braucht, bis aus einem Mann eine Frau oder aus einer Frau ein Mann werden darf.

Dazu gehören eine diagnostische Klärung, müssen psychische Störungen ausgeschlossen werden; es folgt die psychotherapeutische Begleitung, da ein transsexueller Lebensweg mit vielen Belastungen einhergeht. Die psychotherapeutische Begleitung ist auch Vorbereitung auf den Alltagstest. Der Alltagstest bedeutet, dass man vor einer körperlichen Behandlung die angestrebte Geschlechtsrolle so weit wie möglich übernimmt. Später kann dann eine Änderung des Vornamens beim Amtsgericht beantragt werden. Das Gericht beauftragt zwei Gutachter, die herausfinden sollen, ob es sich um eine dauerhafte transsexuelle Problematik handelt.

Nach mindestens sechsmonatigem Leben in der neuen Geschlechtsrolle darf mit der Hormon-Einnahme begonnen werden. Nach wiederum sechs- bis neun Monaten ist dann eine Operation möglich. Am Ende des Weges steht die Personenstandsänderung.

Die Kosten für die OP hat bei Paula die Krankenkasse übernommen. Kosten für Gutachter und Gerichtskosten musste sie selbst tragen: rund 3000 Euro. Auch die dauerhafte Epilation des Bartes musste sie aus eigener Tasche finanzieren.