Oberhausen. .

In der Niebuhrg wird es kuschelig: Steppdecken hängen an den Wänden der Lohnhalle, jede einzelne ein kunstvoller Zusammenschnitt aus bedruckten Stoffen und Farben. Quilts nennt man diese Flickdecken. Frühen amerikanischen Siedlern dienten sie zur Restverwertung alter Stoffe. „Heute ist das Quilten eine Kunstform“, sagt Ingrid Perra. Es sind dann auch die Kunstwerke ihrer Quilt-Gruppe, die noch bis zum 27. März in der Niebuhrg zu sehen sind. Viele davon sind Bildern des österreichischen Künstlers Hundertwasser nachempfunden.

2002 eröffnete Perra ein Fachgeschäft für Quiltstoffe an der Bebelstraße, in dem sie seitdem auch Kurse zu Patchworkarbeiten gibt. Patchwork heißt Flickwerk, alte Hemden und Jeans wurden früher dafür genutzt. Heute sind rund 99 Prozent der Flicken Neuware, die mittels diverser Techniken so zu Rauten und Kreisen aneinander genäht werden, dass sie von dreidimensionalen Würfeln über Stillleben bis hin zur abstrakten Kunst so ziemlich alles darstellen können. 2500 verschiedene Stoffe aus Westfalen, den USA und Japan führt allein Perra in ihrem Geschäft an der Bebelstraße.

Einmal im Monat trifft sich dort die Quilt-Gruppe, die jetzt in der Niebuhrg ausstellt. Elf Frauen gehören dazu, zwischen 44 und 70 Jahre sind sie alt - und voll im Trend: Handarbeiten sind bundesweit auf dem Vormarsch. In jeder Großstadt treffen sich Frauen zum Spinnen, Stricken oder Nähen. In Berlin gibt es sogar Strickcafés, in denen Musterschnitte aus den zahlreichen neuen Handarbeitszeitschriften ausgetauscht werden, die derzeit den Markt fluten. Zieht frau sich denn wieder ins Häusliche zurück?

Angelika Brandenburger von der Alstadener Quilt-Gruppe schüttelt den Kopf: „Frauen arbeiten heute in hohen Positionen, sie haben Stress im Alltag, müssen Familie und Beruf unter einen Hut bringen“, sagt die 54-Jährige. „Handarbeit schafft Ausgleich und Entspannung, trotzdem hat man ein Erfolgserlebnis und ist produktiv“, ergänzt Sabine Klein (61). Hinzukomme: Made in China wolle niemand mehr auf den Schildchen seiner Kleidungsstücke sehen. „Qualität ist aber teuer, deshalb machen wir vieles lieber gleich selbst.“

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Von DerWesten

Und nicht nur Decken: In Alstaden werden auch Laptoptaschen, Rucksäcke und Blumentöpfe, gequiltet. Quilts bestehen übrigens immer aus drei Teilen: einem flauschigen Vliesstoff, der mit der Rückseite und dem Flickwerk auf der Vorderseite vernäht wird. Wichtig sei dabei die genaue Vorarbeit, so die Frauen: Ein Quilt müsse berechnet, einzelne Stücke für die Vorderseite so passgenau zugeschnitten werden, dass sie später lückenlos aneinanderpassen. „Meine erste Decke haben ich alleine und ohne Anleitung gemacht“, erinnert sich Brandenburger. „Sie sollte für meine Tochter sein, mit Herzchen. Ich musste leider überall dicke Streifen einnähen, weil ich nichts richtig ausgemessen hatte.“ Der Tochter habe es trotzdem gefallen: „Sie hat die Decke immer noch.“

Aktuellere Arbeiten der Quilt-Gruppe findet man nicht nur in der Lohnhalle: Seit Jahren arbeiten die Alstadener vor allem für wohltätige Zwecke. Eine Wanddecke hängt im Carl-Sonnenschein-Haus, eine zweite hat die Gruppe für das Vinzenzhaus aus alten Altarstoffen gemacht. Derzeit werden Kniedecken für ein Seniorenheim gequiltet.