Oberhausen. .

Wenn man jetzt die Augen schließt, hat man die Ratten beinahe vor Augen: Finley Hennig spricht ihre Stimmen mit kratzigem Ton. „Ratten müssen so klingen“ – der 12-Jährige hat ihren Sound zuhause geübt, um ihn möglichst echt rüberzubringen. Denn in der Schulbücherei der Gesamtschule Oberhausen geht es immerhin um die Kür des stadtbesten Vorlesers.

Der Sieger dieses Wettbewerbs - ausgeschrieben vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels - darf erst nach Düsseldorf und, sofern er (oder sie) den Landesmeister schafft - zum Bundeswettkampf nach Berlin. Zum letzten Mal gelang einem Oberhausener dies übrigens 1958.

Umso rätselhafter erscheint es, dass die Unterstützung in der „Lesestadt Oberhausen“ allenfalls dürftig ausfällt: Dabei haben sich die neun tüchtigen Leser erst an ihren Schulen durchgesetzt, bevor sie nun ihr Können unter den strengen Ohren einer Jury beweisen. Jedoch gerade einmal 30 Menschen - hauptsächlich die Eltern der Wettbewerber - haben sich im Publikum eingefunden, um den Einsatz der Kinder zu würdigen.

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Von DerWesten

So weit so peinlich für Politik und Bildungsvertreter. Doch zurück zum Erfreulichen: Die Kunst des Vorlesens unter den 11- bis 12-Jährigen hat sich hörbar verbessert. Das stellt auch Hannelore Löhn, Jurymitglied des Wettbewerbs und Lehrerin der Hauptschule Eisenheim fest. Vor Jahren habe das einmal ganz anders ausgesehen. „Die Pisa-Kritik am schlechten Leseverständnis von Schülern ist wohl angekommen“, sagt sie. Schulen und Eltern achteten mehr auf verständliches Vorlesen.

Man hört’s zumindest bei den jungen Wettbewerbern: „Du schwefelstinkender Schuft“ geht etwa Alexandra Keil (Heinrich-Heine-Gymnasium) versprecherfrei über die Lippen. Sie liest aus ihrem Lieblingsbuch „Tintenherz“, das auch wegen der vielen englischen Namen gar nicht so einfach ist. Im Pflichtteil – jedes Kind muss auch einen fremden Text vorlesen – gelingt ihr auch ein „grauverputztes Gebäude“ ohne Haspeln. Mit Pausen an der richtigen Stelle, lauten und leisen Momenten und einem guten Gefühl für gesprochene Sprache macht es selbst Spaß, der tragischen Geschichte über einen Tsunami zu lauschen.

„Alle Teilnehmer waren gut und sehr mutig“, findet Wilhelm Kurze, der den Wettbewerb seit 17 Jahren organisiert. So erhält jeder eine Urkunde und ein Buch. Zur Landesausscheidung nach Düsseldorf kann aber nur eine: Johanna Dreike (Freiherr-vom-Stein-Gymnasium) überzeugte die Jury am meisten: „Sie las sehr souverän und natürlich“, lobt Jurymitglied Brita Biefang (Leiterin Stadtbibliothek Sterkrade). Im Juni könnte es nach Berlin gehen. Kein Pappenstiel: 700 000 Kinder aller Schularten nehmen an dem Wettbewerb teil.