Der Vorhang öffnet sich. Die Akteure sitzen da, konzentrieren sich. Die Spannung steigt. Es geschieht nichts bis ein lauter Knall das Publikum erschreckt. Ein Schwall von Reclamheften ergießt sich auf die Bühne. Werfen Sie Ballast ab, bevor Sie meine „Iphigenie auf Tauris“ sehen, befiehlt der Regisseur Sarantos Zervoulakos.

Die gelben Bändchen, Symbol für die Auseinandersetzung mit Theater im Deutschunterricht, dienen fortan als Teppich für das von Goethe 1787 in Versen verfasste Spiel. Es beginnt, als sich Iphigenie (Elisabeth Kopp) erhebt und beklagt, dass sie sich als Griechin im Land der Taurier wie eine Fremde fühlt. Sie macht das ergreifend, höchst emotional. Was sie sagt, klingt zwar zunächst noch wie fremde Musik, doch man ahnt schon, dass man sie mögen wird.

Schon im folgenden Dialog mit dem Diener Arkas (Hartmut Stanke), der ihr rät, dass es das Klügste sei, sich ihrem Schicksal zu ergeben und König Thoas (Michael Witte) den Wunsch zu erfüllen, seine Frau und Erzeugerin des Thronfolgers zu werden, ist sicher, dass es hier um das Ringen um Menschlichkeit geht. Dass Gedanken die Sprache formen und diese wiederum des Menschen einzige Möglichkeit ist, Konflikte zu lösen ohne Krieg.

Es gelingt dieser Inszenierung, aus der es kein Entrinnen gibt, das, was die Charaktere prägt, unglaublich spannend vorzuführen: Herkunft, Glaube, Treue, Wut, Enttäuschung, Hoffnung, dank der hervorragenden sprachlichen und mimischen Leistung des Ensembles. Es geht unter die Haut, wenn Zorn (Michael Witte) und Wahnsinn (Martin Hohner) Gestalt annehmen. Fazit: Es ist eine Schande, wenn jemand versucht, dieses Drama nur lesend und interpretierend zu verstehen. Es gehört auf die Theaterbühne.

Doch sehen das auch junge Leute so? Lassen wir einmal die Schülerin Franciska Radic (16) reden: Hat sie die Vers-sprache gestört? „Nein. Ich habe größtenteils alles verstanden. Vieles erschließt sich aus dem Kontext.“

Hat sie nun Lust, das Stück auch noch zu lesen? „Es ist etwas anderes, wenn man es sieht. Man bekommt die Emotionen mit. Man analysiert nicht jeden Satz, kaut nicht alles klein, muss nicht über jedes Wimpernzucken nachdenken. Beeindruckt hat mich, dass es, obwohl die Schauspieler nie die Bühne verließen, gelang, sich trotzdem immer nur auf die zu konzentrieren, die gerade agierten. Die Zeit verging wie Fluge. Ich hatte schon ein bisschen befürchtet, dass es langweilig werden könnte. Ich bin positiv überrascht.“