Weil er der Stadt sagte, dass sie Bäume beschnitten haben, machen seine Nachbarn gegen Bernhard Littau mobil.

An den Pranger gestellt fühle er sich, sagt Bernhard Littau. Und ein bisschen erinnert das Verhalten seiner Nachbarn wirklich an die mittelalterliche Bestrafungsform. In der Liricher Straße herrscht nämlich Krieg. Nachbarschaftskrieg. An den Bäumen hängen seit einigen Tagen Zettel in DIN-A-4-Größe, ordentlich in Klarsichtfolie verpackt und aufwändig an die Rinde getackert – in mehreren Metern Höhe.

Auf dem Papier steht zu lesen, dass Bernhard Littau (es folgen seine Haus- und Telefonnummer) zwei seiner Nachbarn angezeigt habe, weil diese „gemeinsam eine Firma beauftragt haben”. Wer hier wohnt, weiß, was damit gemeint ist (wie der geneigte Leser, denn wir berichteten über den Fall im September vergangenen Jahres).

Kleine Rückblende: Einige Anwohner der Liricher Straße hatten sich, nachdem sie sich vergeblich bei der Stadt beschwert hatten, selbst eine Lösung für die störenden Platanen vor ihrer Haustür ausgedacht. Gemeinsam heuerten sie eine Firma an, die ihnen das Geäst kappte – und die einst stolzen Bäume als Gerippe hinterließ.

Bernhard Littau, der auch in der Straße wohnt, sich aber offenbar nicht gestört fühlte durch die üppige Pracht, traute seinen Augen nicht. Und fragte beim zuständigen Bereich Grünflächenmanagement der OGM nach, ob das denn alles rechtens ist. Die Antwort: „Nein.” Niemand dürfe in solch gravierender Weise in den Baumwuchs eingreifen.

„Ich habe doch niemanden angezeigt”, sagt Bernhard Littau. Er ärgert sich über die Zettel an den Bäumen, die in ähnlicher Ausfertigung auch in den Briefkästen landeten: „Das ist mittelalterliches Verhalten.” Doch eines versteht er nicht: Warum „rächen” sich die Nachbarn erst jetzt, neun Monate nach dem Vorfall? Littaus Vermutung: Es muss eine Strafe für das unrechte Zurechtstutzen der Platanen gegeben haben.

Eine Nachfrage bei der Stadt ergibt: Es wurde in der Tat ein Strafantrag gegen die Anwohner gestellt. Von der Immobilienfirma Curanis, auf deren Grundstück die Bäume stehen. Das Kuriose: Damals hatten die Anwohner angegeben, mit Erlaubnis von Curanis zu handeln. Noch kurioser: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein – wegen mangelnden öffentlichen Interesses. Das sieht die Stadt anders und hat Curanis jetzt aufgefordert, die Sache erneut aufzunehmen.

Ein Bußgeld oder Ähnliches ist also bisher noch nicht verhängt worden. Fragt sich, was die Nachbarn plötzlich auf die Barrikaden gebracht hat. Vielleicht, dass die zu Gerippen gewordenen Bäume wieder leise anfangen zu sprießen.