Oberhausen. Sally Perel schildert den Schülern des Käthe-Kollwitz-Berufskollegs in Oberhausen bei seiner Lesereise ein Doppelleben als Jude bei der Hitlerjugend. Der Autor von „Ich war Hitlerjunge Salomon“ will rechter Gesinnung bei Jugendlichen entgegentreten.

Sally Perel ist niemand, der sich der Moderne verschließt. Auch wenn er sich bei seiner Lesereise in die Aula des Käthe-Kollwitz-Berufskollegs mit dem Werk „Ich war Hitlerjunge Salomon“ - die Geschichte über sein gefährliches Doppelleben als Jude in der Hitlerjugend - ein wenig über die heutige Jugend wundert. Handys und Pokémon sind dem 85-Jährigen suspekt. Doch wenn es um die weltweite Vernetzung mit der Internetseite „Facebook“ geht, ist er ganz in seinem Element.

5000 Nutzer haben ihn dort bereits zu ihrer Freundesliste hinzugefügt. Jüngst gab es bei der Annahme weiterer Einladungen jedoch Probleme. „Offensichtlich habe ich die Obergrenze erreicht. Kann mir jemand helfen?“, fragt er vom Podium mit einem leichten Grinsen. Die Schülerinnen und Schüler applaudieren.

Es sind die Momente, in denen Sally Perel kurz aus seinen fesselnden, teils beklemmenden Schilderungen der Zeit des Nationalsozialismus aussteigt. Selbst Schüler, die zuvor abwesend Nachrichten in ihr Mobilsprechgerät getippt haben, holt er damit zurück in die Geschichte.

Vier Jahre untergetaucht

Es ist seine Geschichte - Zeitgeschichte, der es an aktuellen Bezügen nicht mangelt. „Ein junges Hirn kann man schnell vergiften“, sagt Perel mit Bezug auf den braunen Einfluss auf junge Menschen heutzutage, bevor er seinen knapp zweistündigen Vortrag beginnt. Es ist mucksmäuschenstill. Einige Schüler haben DVD-Cover auf dem Schoß. Perels Buch wurde 1989 von Agnieszka Holland verfilmt, später das Drehbuch Oscar-nominiert.

„Vier Jahre können eine Ewigkeit sein“, sagt der 85-Jährige. Genau für diese Zeit musste Perel als Jude in der Hitlerjugend untertauchen. Und das während der Wirren des Zweiten Weltkriegs, inmitten des unübersehbaren Rassenwahns der Nationalsozialisten. Jede Sekunde musste er befürchten, entdeckt und getötet zu werden. Ein Alptraum, der ihm letztlich aber das Leben rettete. Denn als der gebürtig aus Peine stammende Mann nach der Flucht aus Deutschland in Polen von der Wehrmacht aufgegriffen wird, behauptet er: „Ich bin Volksdeutscher!“ Aus Salomon Perel wird Josef Perjell, später von seinen Kameraden „Jupp“ genannt. Die Geschichte nimmt bis zur Befreiung durch die US-Truppen ihren Lauf.

Selbstzweifel und eine gespaltene Seele

Sally Perel beschreibt alle Etappen emotional. Vor allem aber hinterfragt er die Machenschaften der Nazi-Maschinerie und die Wirkung auf die Jugend im Dritten Reich. „In der Hitlerjugend wurden wir zum Hass erzogen!“ Perel berichtet von den Selbstzweifeln, die bei ihm entstanden, von der Spaltung seiner Seele, dem tiefer werdenden Sog ins aus der Not geborene Doppelleben und der Ideologie der Nazis. Die Lehre der Rassenkunde stellte den Wendepunkt dieser Spirale dar. Perel: „Ich habe mich selbst hinterfragt: Du bist doch kein Satan?“

Trotz seines hohen Alters reist der 85-Jährige durch die Lande, kommt mit den jungen Leuten ins Gespräch. „Die Reaktionen sind sehr verschieden“, sagt Sally Perel. „Oft haben die jungen Leute nur den Film gesehen und wollen nun wissen, ob sich alles tatsächlich in dieser Form zugetragen hat.“ Die Schüler im Käthe-Kollwitz-Kolleg hat Perel jedenfalls erreicht. Viele erwerben nach dem Vortrag das Buch und reihen sich damit zum Signieren ein.

„Wenn ich nur einen jungen Menschen mit rechter Gesinnung zur Umkehr bewegen kann, hat es sich gelohnt“, sagt Perel. „Hitler wurde vielleicht militärisch besiegt, aber geistig noch lange nicht.“