Oberhausen..
Zehn Tage nach der Entscheidung, die Oberhausener JVA für die Unterbringung sicherungsverwahrter Gewalttäter zu nutzen, startet Gesundheitsministerin Steffens eine Informations-Offensive. Für den 18. Januar ist auch eine Bürgerversammlung geplant.
Auf Anfrage der Redaktion gab das Ministerium schriftlich Antworten, die Sie im Folgenden nachlesen können. Außerdem laden Stadt Oberhausen und Ministerium am Dienstag, 18. Januar, zu einer Bürgerversammlung in die Luise-Albertz-Halle an der Düppelstraße ein. Beginn ist um 19.30 Uhr.
Warum musste die Entscheidung für den Standort Oberhausen so schnell getroffen werden?
Dies liegt vor allem am Gesetzgebungsverfahren des Bundes, das erst kurz vorher abgeschlossen wurde. Das Therapieunterbringungsgesetz ist Teil der Gesetzesreform zur Sicherungsverwahrung, die erst am 17. Dezember 2010 den Bundesrat passiert hat. Das Gesetz wurde am 22. Dezember 2010 durch den Bundespräsidenten unterzeichnet, ist am 31. Dezember 2010 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Dem NRW-Gesundheitsministerium wurde am 23. Dezember 2010 die Zuständigkeit erteilt. Das Gesundheitsministerium ist seitdem aktiv. Es hatte keine Chance, lange vorher nach Standorten für die Unterbringung von ehemals Sicherheitsverwahrten zu suchen, da nicht klar war ob und wie dieses Gesetz beschlossen wird. Da das Gesetz aber bereits am 1. Januar in Kraft trat, musste eine schnelle Lösung gefunden werden. Auch aus Sicherheitsgründen musste eine schnelle Entscheidung getroffen werden, sonst würde riskiert, dass ehemalige Straftäter, von denen noch eine Gefahr ausgehen kann, noch länger als nötig frei herumlaufen.
Warum hat sich die Landesregierung für den Standort Oberhausen entschieden?
Die genaue Prüfung aller in Frage kommender Standorte hat ergeben, dass an diesem Standort die erforderliche Sicherheit und notwendigen Therapiebedingungen zu realisieren sind. Bei der JVA Oberhausen handelt es sich um eine Haftanstalt, die grundsätzlich über den erforderlichen Sicherheitsstandard verfügt. Das beweist auch die Tatsache, dass es in den letzten 20 Jahren keinem Straftäter gelungen ist, aus der JVA Oberhausen auszubrechen. Außerdem konnte die bestehende Justizvollzugsanstalt in Oberhausen mit rund 80 Plätzen durch Verlegung der derzeitigen Häftlinge auf andere Haftanstalten kurzfristig für die neue Einrichtung nach dem ThuG freigezogen werden. Da das ThuG in § 2 vorschreibt, dass die ehemals Sicherheitsverwahrten klar getrennt vom „normalen“ Strafvollzug untergebracht werden müssen, ist es nicht möglich, die ehemaligen Straftäter in Justizvollzugsanstalten unterzubringen, die noch mit anderen Häftlingen belegt sind. Daher blieb nur die Möglichkeit, eine JVA kurzfristig vollständig zu räumen und diese dann neu zu belegen. Das Justizministerium hat hier eine begrenzte Anzahl von Haftanstalten benannt. Diese wurden durch Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheits- und des Justizministeriums sowie des Landschaftsverbandes als Träger der neuen Einrichtung eingehend besichtigt. Dabei zeigte sich, dass allein das Hafthaus Oberhausen die notwendigen Voraussetzungen erfüllte.
Warum nutzt das Land nicht eine der vorhandenen forensischen Kliniken zur Unterbringung dieser Personengruppe, so wie es andere Bundesländern auch planen?
Neben grundsätzlichen rechtlichen Bedenken wäre eine Unterbringung in einer der zurzeit 13 forensischen Kliniken aus rein praktischen Gründen nicht möglich. Alle insgesamt rund 2500 Plätze sind belegt, zum Teil sind einzelne Kliniken zu mehr als 100 Prozent ausgelastet. Grundsätzlich bestehen aber auch inhaltliche Bedenken. Sämtliche Patientinnen und Patienten in den forensischen Kliniken befinden sind krank und befinden sich in einer Therapie. Die als gefährlich eingestuften Personen, die nach dem ThUG in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen werden könnten, gelten weder im juristischen noch im medizinischen Sinne als krank. Damit „passen“ sie nicht in eine Forensik und könnten den Therapieverlauf für andere Patientinnen und Patienten gefährden.
Ist das JVA-Gebäude in Oberhausen zur Unterbringung von Gewalttätern sicher genug?
Ja. In den vergangenen Jahrzehnten wurden auch Gewalttäter in der JVA Oberhausen untergebracht, innerhalb der vergangenen 20 Jahre ist dort kein Straftäter ausgebrochen. Gleichwohl wird das Land noch zusätzliche Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit unternehmen.
Kann ein Freigang ehemaliger Straftäter am Standort Oberhausen ausgeschlossen werden?
Die ehemaligen Straftäter sollen im Rahmen der Unterbringung an therapeutischen Maßnahmen teilnehmen, die im langfristigen und therapeutisch erfolgreichen Zeitverlauf auch Freigang zur gesellschaftlichen Wiedereingliederung vorsehen könnzen. Aufgrund des Übergangscharakters des Standortes Oberhausen ist es sehr unwahrscheinlich, dass in diesem Zeitraum ein Freigang notwendig wird. Sollte es dennoch dazu kommen, gilt die Zusage der Landesregierung, dass ein Freigang keinesfalls in Oberhausen erfolgen wird.
Warum wird keine schriftliche Garantie abgegeben, dass es sich um einen Übergangsstandort handelt?
Ministerpräsidentin Kraft und Ministerin Steffens haben zugesagt, dass der Standort Oberhausen nur übergangsweise für die Therapieunterbringung genutzt werden soll. Insofern ist ein Mietvertrag über zwei Jahre geschlossen worden, der darüber hinaus mit einer vorzeitigen Ausstiegsoption versehen ist. Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Oberhausen soll an dieser Stelle keinesfalls behindert werden. Die Landesregierung sucht bereits jetzt mit Hochdruck nach einem Dauerstandort für die Therapieunterbringung. Das sollte als „Garantie“ ausreichen.
Wie viele ehemalige Straftäter sollen am Standort Oberhausen untergebracht werden?
Dies entscheiden Gerichte. Maximal geht es um 16 ehemalige Straftäter, die bereits aufgrund gerichtlicher Entscheidungen aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden. 15 weitere Personen könnten im Jahr 2011 entlassen werden, da bei ihnen die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren bereits abgelaufen ist oder im Laufe des Jahres 2011 ablaufen wird. Die Landesregierung geht derzeit aber davon aus, dass nicht alle der im Höchstfall 31 ehemaligen Straftäter für die Therapieunterbringung in Oberhausen in Frage kommen.
Welches Personal wird in Oberhausen tätig sein?
Das Sicherheitspersonal wird aus Justizvollzugsbeamten mit Erfahrungen in der Sicherheitsverwahrung bestehen. Darüber hinaus setzt der Landschaftsverband Rheinland weiteres Fachpersonal für die betreuende und therapeutische Arbeit ein. Die endgültige Zahl des Personals hängt aber von der Zahl der Unterzubringenden ab. Die Sicherheit außerhalb des eigentlichen Gebäudes wird durch die Polizei gewährleistet werden. Die Hauptpolizeiwache befindet sich direkt gegenüber der Einrichtung.
Hat oder hatte die Stadt Oberhausen die Möglichkeit, die Unterbringung von als gefährlich eingestuften Personen nach dem ThUG im JVA-Gebäude zwischen Amtsgericht und Finanzamt zu verhindern?
Nein. Dieses JVA-Gebäude ist der zurzeit einzig verfügbare Platz in NRW, um eine Möglichkeit zur sicheren Unterbringung solcher als gefährlich eingestuften Personen zu schaffen.
Warum ist Neuss als Standort für die ThUG-Einrichtung ausgeschieden?
Die notwendige Sicherheit im Gebäude war nicht herzustellen. Die Gründe lagen allein im Zustand des Gebäudes selbst, nicht etwa in den Protesten vor Ort.
Warum gibt es noch kein Therapiekonzept für die in der JVA Oberhausen unterzubringenden ehemaligen Straftäter?
Erfolgversprechende Therapiekonzepte müssen für jede einzelne Person individuell entwickelt werden. Derzeit ist noch gar nicht klar, wer überhaupt in Oberhausen untergebracht wird. Für alle Personen, die in Oberhausen untergebracht werden, werden vorher zwei vom Gericht bestellte Gutachter erste Therapieempfehlungen geben. Daraus werden Fachleute individuelle Konzepte entwickeln.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der neuen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. Januar 2011?
Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, ob der durch die neue EGMR-Entscheidung erfasste Personenkreis unter das Therapieunterbringungsgesetz fällt. In Nordrhein-Westfalen geht es nach derzeitigen Erkenntnissen um nicht mehr als zwei Fälle.