Oberhausen..

Eine Handvoll Männer trifft sich jeden Tag am Kleinen Markt in Sterkrade. Einer von ihnen ist Christian, 29 Jahre alt, bezeichnet sich selbst als "Alki". Im WAZ-Interview erzählt er, was ihm der Ort und die Treffen bedeuten.

Durch die Unterführung neben Kaufland in Oberhausen-Sterkrade peitscht ein kalter Wind. Das Dach bietet Schutz vor Schnee, aber nicht vor Kälte. Eine Handvoll Männer steht hier jeden Tag. Daneben Bierpullen. Einer von ihnen ist Christian (29).

Christian, Sie haben eine Wohnung. Warum hängen Sie dann trotzdem hier rum?

Christian (29): Zu Hause hält mich nichts. Am Kleinen Markt trifft man immer jemanden, hat Gesellschaft. Ich bin auch nicht immer hier. Meistens nur dienstags und donnerstags, dann gibt es bei den Nonnen nebenan Mittagessen.

Aber Stress gibt’s auch.

Christian: Wir hatten hier schon oft das Ordnungsamt. Die schreiben unsere Namen auf. Die Polizei und das Ordnungsamt kennen uns ja schon. Manchmal sollen wir auch Bußgelder zahlen. Aber wir tun keinem was. Wir wollen einfach nur hier stehen und uns unterhalten. Von uns ist keiner laut. Wenn das Ordnungsamt weg ist, sind wir wieder da.

Warum treffen Sie sich denn ausgerechnet am Kleinen Markt?

Christian: Früher saßen wir im Volkspark. Da haben wir keinen gestört, da gab es keine Geschäftsleute. Aber dann durften wir uns dort nicht mehr aufhalten. Die könnten mal was für uns tun und uns einen Raum oder so zur Verfügung stellen.

Eine politisch korrekte Bezeichnung für Menschen, die sich überwiegend auf der Straße aufhalten, aber nicht dort leben, gibt es nicht. In Verwaltungsvorlagen der Stadt Oberhausen ist immer von „Mitgliedern einer sozialen Randgruppe“ die Rede. Wie bezeichnen Sie sich selbst?

Christian: Die Leute sagen oft Asoziale, Alki oder Junkie. Ich sehe mich als Alki, obwohl ich nicht viel am Tag trinke. Drei, vier Flaschen Bier vielleicht. Aber die, die hier vorbeikommen, sehen immer nur das Äußere – dass man hier steht und trinkt. Aber keiner fragt „Warum“? Jeder hat seine Geschichte. Ich möchte lieber nach meinen inneren Werten beurteilt werden.

Hätten Sie gedacht, dass Sie mal hier landen?

Christian: Nein.

Was ist passiert?

Christian: Früher habe ich mal Drogen genommen, aber von denen bin ich schon lange weg. Ich habe aufgehört, als meine Frau mit meinen Kindern schwanger war. Ich habe sogar zwei Ausbildungen gemacht – eine zum Koch und eine beim Grünflächenamt. Aber dann hat mich meine Noch-Frau verlassen, wegen eines anderen. Das Schlimmste ist, dass ich meine beiden Kinder nicht sehen darf. Meine Tochter ist sieben Jahre alt, mein Sohn vier.

Wann hatten Sie zum letzten Mal Arbeit?

Christian: Das ist noch gar nicht so lange her. Beim Oberhausener Gebäudemanagement hatte ich einen Ein-Euro-Job und habe bei der Grünflächenpflege geholfen. Dort habe ich dann bei der Arbeit einige von den Jungs kennen gelernt, mit denen ich mich jetzt ab und zu treffe.

Wie sieht Ihr Tag genau aus?

Christian: Meistens geh' ich um 9 Uhr aus dem Haus – ich kann sowieso nicht so lange schlafen. Dann treff’ ich mich mit einem Bekannten. Manchmal gehen wir bei der Caritas frühstücken. Das kostet nur einen Euro. Dann fahre ich wieder nach Hause und versorge meinen Kater Strolchi. Mittags bin ich dann in Sterkrade. Nachmittags treff’ ich mich mit Bekannten und abends bin ich meist wieder zu Hause.

Bemühen Sie sich um Arbeit?

Christian: Ich bekomm’ regelmäßig Briefe von der Arge/Soda und geh’ hin, wenn die mich einladen. Momentan können die mir aber nix anbieten. Ich habe mich vor kurzem für eine Stelle als Koch beworben. Das hat nicht geklappt. Ich würde auch auf dem Bau malochen. Die Arge hat mir eine Schuldnerberatung zugewiesen. Ich habe so 15.000 Euro Schulden, plus, minus. Von denen will ich runter kommen. Eine Streetworkerin der Diakonie begleitet mich zu den Treffen.

Wovon leben Sie?

Christian: Von Hartz IV.

Reicht das Geld?

Christian: Das ist sehr knapp. Das meiste Geld gebe ich für Katzenfutter und Streu aus. Ich trink’ nur Billigbier – für 1,69 Euro den Sechserpack, ohne Pfand. Wenn’s kalt ist, schmeckt das auch.

Wann haben Sie sich das letzte Mal etwas gegönnt?

Christian: Ich komme ursprünglich aus Gladbeck und bin Schalke-Fan durch und durch. Ich habe mir eine Karte für das Champions-League-Spiel Schalke gegen Olympique Lyon gekauft. Das Ticket hat zwar 60 Euro gekostet, aber das habe ich mir gegönnt.

Und wo haben Sie das Geld gespart?

Christian: Ich hab’ den Rest des Monats weniger gegessen.