Kino, das kann sein: Reingehen, anschauen, Spaß haben, rausgehen, abschalten. Kino kann aber auch sein: Reingehen, anschauen, irritiert sein, rausgehen, nachdenken.
Die Jugendfilmtage, die vom 15. bis 22. Dezember zum sechsten Mal in der Lichtburg stattfinden, setzen auf die zweite Variante. Natürlich sei es toll, einen spannenden Film zu sehen, einfach nur Spaß zu haben und hinterher nicht viel über ihn nachzudenken, sagt Petra Rockenfeller, Theaterleiterin der Lichtburg. Dagegen sei auch nichts zu sagen. Doch bei den Jugendfilmtagen gehe es eben um mehr. Dort werden für Schulklassen hochwertige Arthouse-Filme gezeigt – also solche, „über die man länger nachdenkt“, sagt Petra Rockenfeller. Medienpädagogin Anja Schmid formuliert es noch schärfer: „Das können auch Filme sein, die man nicht auf den ersten Blick gut findet“, sagt sie. Das sei ein Risiko. Aber: „Ich bin überzeugt, dass diese Filme einen länger begleiten als ein Mainstream-Film.“ Der sei schnell wieder vergessen. Ein anspruchsvoller Arthouse-Film bleibe einem dagegen mit vielen Bildern und Gedanken im Kopf.
Das Anschauen der Filme ist natürlich nur ein Teil der Jugendfilmtage. Die Schulklassen erhalten von Medienpädagogin Anja Schmid vorher eine Einführung, später gibt es ein begleitendes Filmgespräch. Dabei könnten die Schüler zum Beispiel neue Kriterien für einen guten oder schlechten Film kennen lernen. Kameraführung, Filmmusik, Handlung – es gebe so viele Aspekte, die weit darüber hinaus gehen, einen Film nur danach zu beurteilen, ob er einem gefallen habe oder nicht, weiß Anja Schmid. Mit der Filmmusik sei zum Beispiel eine hohe Emotionalität verbunden. Indem man dies bewusst macht, soll die Medienkompetenz der Schüler gestärkt werden.
An diesem Punkt sieht auch Lichtburg-Theaterleiterin Petra Rockenfeller den Auftrag ihres Kinos: „Als Kulturstätte in der Innenstadt haben wir auch den Bildungsauftrag, Kino als Kunstform zu zeigen.“ Eine Kunstform freilich, die sich – wie alle Kunst – meist erst auf den zweiten Blick so richtig erschließt. Deshalb werden die Filme auch aus den unterschiedlichsten Perspektiven diskutiert. Beim Eröffnungsfilm „Bis aufs Blut“ wird zum Beispiel der Regisseur Oliver Kienle anwesend sein und sich den Fragen der Schüler stellen. Der Regisseur bringt nicht nur einen Film mit, der nachdenklich stimmen dürfte: Der junge, deutsch-türkische Migrant Tommy landet im Jugendknast und schwört sich nach einer langen Zeit schlimmer Misshandlungen, dass er nie wieder dorthin zurück muss. Mit 28 Jahren ist Regisseur Oliver Kienle selbst noch nah dran an der Jugend.
Auch die fünf anderen Filme haben es in sich. In „Neukölln Unlimited“ versuchen drei muslimische Breakdancer, in Deutschland Fuß zu fassen. Und „Draußen am See“ dürfte für viel Gesprächsstoff bei den Jugendlichen sorgen. „In langsamer Erzählweise wird das hammerharte Thema einer Familientragödie erzählt“, sagt Barny Hanenberg vom Jugendamt. Zum Schluss werde den Jugendlichen die Tragödie „richtig um die Ohren gehauen“ – passend zum Ziel der Jugendfilmtage: „Die Jugendlichen sollen nicht fröhlich tschüss sagen, sondern bleiben und diskutieren.“