Philger, das hört sich nach Philosophie oder Pilgerei an, nach Abstraktem und Abgehobenen. Dabei haben die Oberhausener Philger nichts weniger im Sinn als das: Seit 22 Jahren helfen sie den Ärmsten der Armen, denen, die im Dreck leben und die zu oft nicht einmal das Kleinkindalter erreichen: den „Müllmenschen“ von Manila.

„Am Anfang ging es nur darum, für die Frauen was zu machen, damit das Heimweh milder wird“, erinnert sich der Vorsitzende Lutz Ruhloff, der mit der Philippinen Delia Ruhloff verheiratet ist. Er hatte sie in einer Bochumer Disko kennen gelernt, seit 1984 sind sie ein Paar. Ein deutsch-philippinischer Freundeskreis also, ein Kulturaustauschzirkel – doch dann brach auf den Philippinen der Vulkan Pinatubo aus, wurden die dort lebenden Ureinwohner über die ganze Insel verstreut. Ruhloff und andere organisierten einen Wohltätigkeitsball für die Errichtung eines Notquartiers. Im Urlaub auf der Inselgruppe wurde ihm nach und nach das ganze Elend bewusst – er wollte mehr tun.

Dann kam ein Brief vom „Smokey Mountain“. Was sich so malerisch anhört, ist ein ehemaliger, giftig ausgasender Müllberg, auf und von dem über 20 000 Menschen lebten. Pater Beltran erbat Hilfe für die dortigen „Müllmenschen“. Seither sammelt Philger alljährlich Schokolade, Spenden und Spielzeug vor allem für die Kinder dieser Menschen, „das ist unser Schwerpunkt“. Die Regierung schloss die Deponie 1995 und brachte die Bewohner auf der „Smokey Mountain Station“ unter, in provisorischen Häusern, einem Slum.

Krankenwagen kommen gar nicht an


„Die Gesundheitslage da ist katastrophal, die Kinder- und Müttersterblichkeit sehr hoch. Krankenwagen brauchen lange, kommen gar nicht durch. Bis dahin ist es oft zu spät“, weiß Ruhloff, der so oft wie möglich, meist einmal im Jahr, in das Land seiner Frau fährt und sich selbst ein Bild von der Lage macht. Deswegen setzt sich Philger auch für eine Krankenstation auf der ehemaligen Müllkippe ein.

Tief berührt ist der Rentner von den Schicksalen derjenigen philippinischen Kinder, die mit schlimmen Fehlbildungen leben müssen. Für sie organisiert der Verein Operationen im Land selbst. Doch bevor das überhaupt möglich ist, müssen die Kinder, die oft mit Tuberkulose infiziert und in einem schlechten Allgemeinzustand sind, erst kuriert werden. Vor Jahren brachte Philger den damals 15-jährigen Nelvin nach Deutschland, dem ein Teil seines Hirns regelrecht ins Gesicht gewachsen war. Er wurde an der Bochumer Uni-Klinik operiert und ist heute ein 20-jähriger Erwachsener, der einer geregelten Arbeit nachgeht. Doch auf die schöne Geschichte von Nelvin folgten immer wieder Tristesse und Rückschlag. „Drei Kinder haben wir mittlerweile verloren, weil wir nicht helfen konnten“, erzählt Ruhloff, und natürlich hat er auch von ihnen Fotos in einem Ordner in seinem kleinen überbordenden Keller-Arbeitszimmer.

Unterwegs mit Schokolade und Bleistiften


Ohne seine Frau Delia, die er liebevoll seinen „Boss“ nennt, sagt Ruhloff, könne er das Ganze nicht machen, sagt der ehemalige Schlosser, „die hält mir den Rücken frei“. 2012 wollen sie ihre Silberhochzeit auf den Philippinen feiern, dieses Mal zusammen, denn oft fährt Ruhloff allein, den Koffer voller Dinge für die Menschen.

Ganz unumstritten ist die alljährliche Schokoladenaktion allerdings nicht. Schließlich könnte man auch Geld schicken statt ein verderbliches und überflüssiges Luxusgut. „Aber es geht auch um den symbolischen Wert, Christen hier helfen Christen da.“ Wobei nicht nur Schokolade – unerschwinglich auf den Philippinen – in den Paketen stecke, sondern auch Schulmaterial, Bleistifte und ähnliches. Eine Weihnachtsfeier in einem der Waisenhäuser, die Philger mit Paketen versorgt, rechnet Ruhloff vor, kostet einen Euro, vielleicht 1,50 Euro pro Kind.

Vom Staat ist nichts zu erwarten


Computer, Nähmaschinen, Kuscheltiere, Kleidung und andere Hilfsgüter sammelt Ruhloff das ganze Jahr über in seiner Garage, die aus allen Nähten platzt. Nach und nach kamen immer mehr christliche Organisationen auf ihn und seine Mitstreiter zu und baten um Unterstützung für ihre Kirchen, Heime und Krankenstationen. „Die haben von uns die Auflage, dass sie allen helfen, nicht nur den Christen.“

Vom Staat, sagt Ruhloff, sei nicht viel zu erhoffen, das ganze System auf den Philippinen sei korrupt. „Manchmal habe ich das Gefühl, die schlimme Lage ist von den Regierenden so gewollt. Arme Menschen lehnen sich nicht auf.“ Dass ein kleiner deutscher Verein aus einer Ruhrgebietsstadt wie Oberhausen mit Schokolade und Bleistiften im Gepäck etwas an den Zuständen dort ändern könnte, darüber macht sich der 66-Jährige keine Illusionen. „Daran sind schon andere gescheitert.“