Der Druck auf das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) ist weitaus größer, als es unsere Berichte der vergangenen Wochen gezeigt haben. Wegen der Mängel in der Pflege, die in erster Linie auf zu wenig Personal zurückzuführen sind, drohen niedergelassene Mediziner, ihre Patienten künftig nicht mehr ins EKO einzuweisen.

Seit Anfang des Jahres kam es mehrfach zu schriftlichem und persönlichem Kontakt zwischen der EKO-Geschäftsführung und Vertretern des Qualitätsnetzwerks Oberhausener Ärzte, zu dem sich 60 größere Haus- und Facharztpraxen 2005 zusammengeschlossen haben. Patienten hatten sich vor allem bei ihren Hausärzten seit Ende 2009 vermehrt über ihre Behandlung im EKO beschwert.

„Es gab mehr Klagen, als sie bezüglich anderer Häuser geäußert wurden“, sagt Dr. Tilmann Kornadt, der fachärztliche Vorsitzende des Netzwerks. Was beanstandeten die Patienten? „Unterschiedliches. Von zu wenig Personal bis hin zu Ärzten, die kaum Deutsch sprachen, und hygienischen Mängeln.“ Das Qualitätsnetzwerk moniert aber auch „medizinische Sachen“.

EKO-Geschäftsführer Marcus Polle wollte sich im Gespräch mit unserer Zeitung nicht zu den Sprachkenntnissen seiner Ärzte äußern, auch nannte er keine konkreten Zahlen zur Personalentwicklung seit Dezember 2004. Damals steckte das EKO tief in einer Wirtschaftskrise, und mit Volker Feldkamp kam ein neuer Geschäftsführer, der in den Folgejahren die heute gültigen Strukturen einführte. „Wir haben in den letzten drei Jahren kein Personal abgebaut“, sagt Marcus Polle, 127 Ärzte seien derzeit beschäftigt.

„Wir wollten das Problem intern klären“, erklärt Dr. Kornadt, warum das Ärzte-Netzwerk mit den Patientenklagen nicht an die Öffentlichkeit gegangen war: „Wir wollen das Haus ja nicht platt machen, es ist wichtig für die Stadt, auch als Arbeitgeber. Wir wollen es erhalten.“

Die Lage habe sich seit dem ersten Gespräch im Februar, zu dem Sprecher des Hausärzteverbands und der Kassenärztlichen Vereinigung sowie Vertreter zweier Ärztestammtische zugegen waren, zunehmend verschlechtert. „Wir sind mit dem Tenor aus dem Gespräch mit dem ehemaligen EKO-Geschäftsführer Volker Feldkamp gegangen, dass die Ärzte am EKO wieder in die Lage versetzt werden sollten, die gute Arbeit zu machen, die sie eigentlich können.“ Nicht an den Fähigkeiten der Mitarbeiter liege es, sondern an der dünnen Personaldecke vor Ort, dass die Patientenversorgung am EKO in Verruf gerate: „Geldprobleme gibt es überall, aber man kann das schaffen.“

Dr. Kornadt weiß, wovon er spricht: Der heute 51-jährige Bochumer hat seine klinische Ausbildung am EKO absolviert. 1998 war er dort Oberarzt, seit 1999 ist er niedergelassener Facharzt in der Innenstadt. „Ich habe sehr gerne dort gearbeitet.“ Mittlerweile sei die Stimmung unter den Mitarbeitern teils äußerst schlecht und die Fluktuation von Fachpersonal weitaus höher als in anderen Häusern. Der Sanierungsplan, den Volker Feldkamp im EKO Mitte des vergangenen Jahrzehnts umgesetzt hat, werde es langfristig gefährden, befürchtet der Facharzt. „Das Gesundheitswesen ist kein normaler Betrieb. In diesem Bereich arbeiten Menschen, die helfen und etwas Gutes tun wollen. Wenn man diese Leute mit der Peitsche antreibt, gehen sie weg.“

In den neuen Geschäftsführer des EKO, Marcus Polle, setzt Dr. Kornadt viel Hoffnung: „Herr Polle hat die Chefärzte zu einem Gespräch dazugeholt, das im September stattgefunden hat. Das werten wir als positives Zeichen.“ Feldkamp habe stets alle Klagen von sich gewiesen, „Herr Polle wirkt motiviert und scheint gewillt, die Situation in seinem Haus zu verbessern.“ Ein Ultimatum wolle man ihm nicht stellen. „Tendenziell werde aber bereits weniger ins EKO überwiesen. Der Patient selbst will nicht mehr dahin.“

Diesen Trend umkehren, das will selbstredend Marcus Polle. Die Rückmeldungen aus dem Dialog mit dem Quali-Net seien für den Fortschritt und Qualitätsanspruch des Evangelischen Krankenhauses sehr wichtig. „Wir lernen aus der Vergangenheit, um unseren Patienten eine erstklassige Qualität zu bieten“, sagt Polle. Die Personalfluktuation am EKO könne er nicht mit anderen Häusern vergleichen, weil es keine Vergleichswerte gäbe. „Unser Ziel ist es selbstverständlich, unsere qualifizierten Mitarbeiter langfristig zu binden. Wir investieren in unser Personal. Es gibt sicher nicht viele Häuser, die ein so breites und umfangreiches Fortbildungsspektrum anbieten.“

Zur Qualitätssicherung gehörten zudem Zertifizierungen, ein Beschwerdemanagement und die Befragung von Patienten. Im dritten Quartal 2010 haben nach Auskunft von EKO-Sprecher Nicolai Werner 555 Patienten dem Haus eine Gesamtnote von 1,5 attestiert. Abgefragt wurden „Medizinische und pflegerische Kompetenz“, Organisation und Service“ sowie „Menschlichkeit und Zuwendung“. Noten von 1 (positiv) bis 4 (negativ) durften vergeben werden.

Auch dank hoher Investitionen – 40 Millionen Euro flossen in den vergangenen vier Jahren in Haus A, Parkhaus, Facharztzentrum und Medizintechnik – sieht Polle das EKO auf einem guten Weg. Die Fallzahlen seien seit 2006 gleichbleibend hoch und wirtschaftlich sei das Haus stabil. „Wir schreiben eine schwarze Null.“