Seit drei Jahren ist Franco Sogus (60) Präsident des Sardischen Vereins, in dem er seit der Gründung, 1982, Mitglied ist. Redakteurin Gudrun Mattern sprach mit ihm über sein Leben, seine Landsleute und ihre Geschichte, die eng mit dem Bergbau verbunden ist.

Warum kamen Sie nach Oberhausen?

Sogus: Bis ich 15 Jahre alt war, lebte ich in Gonnosfanadiga, einem Dorf mit 7000 Einwohnern in Sardinien. Nach der Schule bin ich nach Norditalien, nach Pisa gegangen. Das war meine Chance. Ich war froh, weg zu kommen. Dort habe ich die Ausbildung zum Schlosser und Dreher gemacht. Seit 1970 bin ich hier. Ich hatte einen Arbeitsvertrag bei der GHH. Ich dachte, ich bleibe nur zwei Jahre hier.

Daraus sind 45 Jahre geworden?

Ich habe meine Frau hier kennen gelernt. Ihre Eltern gehörten zur ersten Migranten-Generation, ihr Vater war 1952 gekommen. Durch einen Ingenieur hatte ich die Chance, bei Thyssen-Krupp anzufangen. Ich war ehrgeizig, wollte weitermachen. Deutschland hat mir eine Zukunft gegeben. Ich habe die Meisterschule und viele Kurse besucht. 30 Jahre war ich in der tribologischen Forschung. Mit der Arbeit ist jetzt Schluss. Man muss den Jüngeren Platz machen.

Was macht der Sardische Verein?

Erstens geht es uns um die Kultur und die Tradition. Zweitens auch um die Region Sardinien. Wir werben für den Tourismus, für unsere sardischen Produkte. Die sardische Regierung unterstützt uns, zahlt die Miete für unser Kultur- und Freizeitzentrum. Es gibt auch viele Deutsche, die die Gemeinschaft suchen und zum Frühschoppen zu uns kommen. Wir sind circa 40 Mitglieder in Oberhausen, früher waren es einmal 200. Es gibt 15 sardische Vereine in Deutschland, wir sind der einzige in NRW.

IFranco Sogus vom sardischen Verein in Oberhausen. Bild: Stephan Glagla / WAZ FotoPool
IFranco Sogus vom sardischen Verein in Oberhausen. Bild: Stephan Glagla / WAZ FotoPool © Stephan Glagla / WAZ FotoPool

Bergbau gab’s doch in Sardinien auch?

Carbonien war schon in den 30er Jahren Bergbauzentrum. Aus ganz Italien, sogar aus Sizilien sind Leute dorthin gekommen. Es gab viel Arbeit. Doch als in den 50er Jahren die Krise kam, bot Oberhausen den Leuten, die Erfahrungen hatten, eine Chance.

Wie klappte die Integration?

In den ersten Jahren gab es schon Probleme. Meine Schwiegereltern hatten schwere Zeiten hier. Deutschland war kaputt, musste aufgebaut werden. Das soll man nicht vergessen: Der Aufschwung ist auch ein Teil von uns. Die Leute dachten: Wir bleiben nur eine kurze Zeit hier. Aber längst wissen sie, dass es nicht mehr möglich ist, zurückzukehren. Besonders die Frauen hängen an ihren Familien. Die Kinder sind hier und die Enkel. Die Jungen sind in Oberhausen besonders stark integriert.

Welche Rolle spielt dabei die Bergbautradition?

Die Geschichte ist nicht 100-prozentig gleich, aber es gibt Ähnlichkeiten. Auch unsere Bergleute hatten den Henkelmann. Da war dann eben Minestrone drin. Unsere Mentalität ist europäisch. Viele sind streng katholisch. Wir feiern zum Beispiel auch Karneval.

Wissen Sie etwas über Rückkehrer?

Ja, es sind einige zurückgekehrt. Aber da gab es schon ein bisschen Abstand: „Der Deutsche ist wieder da. Wir haben nicht einmal Arbeit für uns. Bleib also lieber, wo du bist.“ Als Urlauber war ich stets willkommen. Die meisten fahren nach Sardinien und kommen wieder.

Das Kulturhauptstadt-Projekt „Im Schoß der Erde” erinnerte an die Bergbau-Tradition. Kam es an?

Ja, sehr. Menschen aus vielen Städten reisten an, übernachteten hier in Hotels. Das war so wunderbar, das Konzert im Gasometer. Schon zur Eröffnungs-Veranstaltung sind 300 Personen gekommen. Auch da gab es einen Stand mit sardischen Produkten, Wein, Oliven, Öl, Käse, Wurst.

Werden viele Sarden deutsche Staatsbürger?

Eher weniger. Die Italiener sind in Oberhausen die zweitstärkste Gruppe. Wenige nehmen die doppelte Staatsbürgerschaft. Ich habe noch die alte Mentalität, habe aber auch mit meinem Sohn darüber gesprochen. Der sagt: Die Freiheit, die ich brauche, habe ich sowieso.

Wie steht’s mit der Sprache?

Es bildete sich eine eigene Sprache, Italienisch-Sardisch-Deutsch. Meine Frau spricht viel besser Deutsch als ich. Meine Tochter ist mit einem Deutschen verheiratet. Mein Sohn hat auch eine deutsche Frau. Wir mussten damals in der Schule Italienisch sprechen. Da gab es so einen Zwang. In italienischer Grammatik sind wir immer schlecht gewesen.

Am Samstagabend gibt es ein großes Fest?

Ja, wir feiern im Haus Union, Schenkendorfstraße 13. Das Programm beginnt um 19 Uhr.

Wer ist dazu eingeladen?

Jeder, der kommen möchte ist willkommen. Weil aber, wie schon in der Reihe „Im Schoß der Erde“ des Kulturhauptstadtjahres, der Bergbau Thema ist, würde ich mich freuen, wenn viele Leute kämen, die selbst im Bergbau gearbeitet haben und erzählen können, wie das war. Außerdem haben wir etwa 300 Einladungen verschickt.

Was wird denn angeboten?

Es tritt die sehr bekannte sardische Gruppe „Pandelas“ auf. Außerdem spielen als Begleitgruppe „Die Zwillinge“. Natürlich wird es auch eine Ausstellung mit Produkten aller Art aus Sardinien geben. Wir haben auch den Bürgermeister eingeladen. Ich hoffe Sie kommen auch. Der Eintritt kostet fünf Euro.

Sind nur Erwachsene, oder auch Kinder willkommen?

Kinder natürlich auch. Die meisten von ihnen sind so stark integriert, dass sie schon unsere Kultur vergessen.

Was vermissen Sie am meisten hier?

Sardinien, meine Heimat. Deshalb fahre ich jedes Jahr einmal hin. Dort ist übrigens wie hier das vorrangige Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen.