„Ene, mene, muh“ – um die Bluthochdruckpatienten auf ihrem nächsten Kaffeekränzchen abzuzählen, wäre dieser Kinderreim noch viel zu lang. Sage und schreibe jeder vierte Deutsche hat Bluthochdruck, und nur die Hälfte der Betroffenen wissen davon, resümierte Moderator und Lokalchef Thomas Schmitt beim WAZ-Medizinforum am Montagabend im EKO. Noch niederschmetternder: Nur ein Viertel von ihnen ist so gut mit Medikamenten versorgt, dass der Blutdruck normal ist.
Warum auch, könnte man meinen. Denn die dauernd prallen Adern verschaffen ihrem Besitzer charmante Eigenschaften, wie Chefärztin Dr. Mira Schannwell erläuterte. „Das sind Leute, die sind immer gut gelaunt, die brauchen morgens keinen Kaffee, sind Schützenkönige und Karnevalsprinzen und sympathische Menschen“, erklärte die Kardiologin. Doch der ständige „Druck auf dem Gartenschlauch“ macht nicht nur gute Stimmung – leise und ganz schleichend versteifen sich zunächst die Gefäße, machen schließlich schlapp und versagen den Dienst – in Beinen, Augen oder Nieren etwa, aber auch im Herzen, bis hin zur Herzschwäche. Luftnot, Magenschmerzen und geschwollene Beine inklusive. „Stellen Sie sich das vor wie ein ausgelatschtes Gummi“, warnte Schannwell die rund 100 Zuhörer im Seminarsaal des Evangelischen Krankenhauses, „das Herz kann einfach nicht mehr“.
Hinweise auf Bluthochdruck können Nasenbluten, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schwindel, Herzschmerzen oder Luftnot bei Belastung sein. Und eben der Wert an sich: Sobald der obere, die Systole, über 139, der untere, die Diastole, über 89 mm/Hg liegt, ist man im kritischen Bereich. Die alte Faustregel für den systolischen Wert „100 plus Lebensalter“ gelte schon lange nicht mehr, so die Chefärztin. Um das Risiko für Bluthochdruck und die gefürchteten Langzeitschäden genau einschätzen zu können, bietet die Kardiologie des EKO das „Oberhausener Hochdruckscreening“ an. Dabei wird mit einer Untersuchungsreihe überprüft, wie elastisch die Gefäße noch sind, ob es schon Schäden an den Organen gibt und wie der Druck sich über den Tag verändert.
Übrigens profitieren besonders alte Menschen von der Behandlung ihres Bluthochdrucks, betonte Schannwell. Wegen der Ablagerungen, die sich in den Gefäßen bilden und sich lösen können, ist die „Hypertonie“ ein Hauptrisikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall und somit potenziell tödlich – ganz plötzlich und aus „plötzlichem Wohlbefinden heraus“. Ein guter Grund also, seine Blutdruckmedikamente zu nehmen, auch wenn sie anfangs müde, gereizt und lustlos machen – bis zu einem Jahr lang. „Da ist auch ein Partner wichtig, der das Ganze mit ein wenig Humor auffängt“, weiß die Ärztin aus Erfahrung.
Apropos Medikamente: Die sollten so auf den Menschen passen wie ein richtig guter Schuh. „Einem LKW-Fahrer eine Wassertablette zu geben, das ist richtig gemein. Oder einem Arzt, der den ganzen Tag im OP steht.“ Jedes Mittel habe seine Nebenwirkungen – so machten ß-Blocker etwa häufig impotent. Weil sie alle unterschiedlich wirken, so Schannwell, gebe es auch keine „Herr-Schmitt-Tablette“, sondern man müsse manchmal einen ganzen Wust verschiedener Pillen nehmen. Auch wenn es schwer fällt.