Oberhausen. .
Die Siedlergemeinschaft Girondelle ist eine starke Truppe. Bergleute gründeten sie 1953.
Früher wurde malocht und gebuddelt, inzwischen hat die Moderne Einzug gehalten. Streitigkeiten unter Nachbarn gibt’s kaum.
Die alten Zeiten sind noch immer spürbar. Hierher kehrten die Kumpels der Zeche Concordia erschöpft und müde von der Maloche zurück. Auf den Dächern gurrten die Tauben in ihren Verschlägen und die Gärten hinter den Häusern quollen nur so über mit Kartoffeln, Kohl, Bohnen und anderem Gemüse. Heute jedoch hat die Moderne Einzug gehalten in die Siedlung rund um die Girondelle im Liricher Norden. Niemand fährt mehr ein unter Tage, Taubenschläge gibt es so gut wie keine mehr und die Nutzgärten sind großzügigen Blumenrabatten und Poollandschaften gewichen. Eines jedoch ist gleich geblieben, und das ist die gute Nachbarschaft. „In unserer Siedlung kennt jeder jeden. Gegenseitige Hilfe ist selbstverständlich“, sagt Werner Tosch, seit zwei Jahren der Gemeinschaftsleiter der Siedlergemeinschaft Girondelle. Der 60-Jährige hat sein ganzes Leben dort verbracht. Sein Haus an der Weilerstraße hat sein Opa, der auch Bergmann auf Concordia war, 1897 gebaut.
Die eigentliche Siedlung mit den Straßen Girondelle, Blumbergstraße, Tulpenstraße, Wilhelmshavener Straße, Grünstraße und Rosenstraße wurde in den Jahren 1952 bis 1955 von der Concordia Bergbau AG mit der Bundestreuhandstelle für Bergmannswohnstätten errichtet, die so dem Wohnungsmangel der Arbeiter entgegenwirkte. „Die Eigenheime wurden zunächst im Eigentum eines Trägers errichtet und später nach Rückzahlung des vorfinanzierten Eigenkapitals zum Eigentum übertragen“, erzählt Werner Tosch. Und so führte der Berg von Fragen, Reklamationen und Änderungswünschen Ende 1953 zur Gründung des Deutschen Siedlerbundes Gruppe Concordia, der später in Siedlergemeinschaft Girondelle geändert wurde. 97 Mitglieder bzw. Familien gehören der Vereinigung heute an.
Wir machen uns auf zu einem Streifzug durch die Siedlung, dem Zuhause von rund 500 Menschen. Oh, diese Ruhe! „Ja, man glaubt gar nicht, dass wir uns mitten in einer Großstadt befinden“, lacht Wilfried Busch, der stellvertretende Gemeinschaftsleiter. „Was will man mehr? Eine ruhige, schöne Gegend, große Gärten – und das alles zu erschwinglichen Preisen. Kein Wunder also, dass die Häuser heiß begehrt sind.“
In der Straße Girondelle ist Sabine Rayczik gerade damit beschäftigt, sich mit Hilfe ihrer Nachbarin Inge Lorenz ein neues Blumenbeet anzulegen. Die Büsche sind schon raus, das Unkraut auch. „Brauchst Du Hilfe“, fragt Werner Tosch. „Eine Walze wäre nicht schlecht.“ „Kein Problem, ich höre mich um und besorge eine“.
„Die Zeit in der Siedlung hat mir gefehlt“
Früher, da hatten die Siedler ein eigenes Inventar mit Schubkarren, Leitern, Heckenscheren und Gartenspritzen, das gegen eine geringe Gebühr ausgeliehen werden konnte. „Heute jedoch besitzt jeder solche Geräte selbst. Lediglich die Leitern stellen wir noch zur Verfügung“, so Werner Tosch.
Wir gehen weiter. „Das ist die Schießsportanlage des Schützenvereins Sankt Sebastianus. Hier grillen und treffen wir uns und stellen in der Weihnachtszeit immer eine Tanne auf“, erläutert der Gemeinschaftsleiter.
Ein paar Häuser weiter leben Wilfried (62) und Monika (60) Becks. „Das ist mein Elternhaus. 30 Jahre lang haben wir in Buschhausen gewohnt. Jetzt, wo ich wieder zurückgekehrt bin, habe ich erst gemerkt, was mir in dieser Zeit gefehlt hat. Diese Siedlung eben“, lächelt Monika Becks. Die Kaninchenzucht mit 27 Tieren hat Wilfried Becks vom Schwiegervater übernommen. Ein bisschen ist also geblieben von der alten Zeit in der Bergmannssiedlung rund um die Girondelle.