Weniger Hausärzte, aber immer noch ausreichend: Weiterbildungsprogramme werben den medizinischen Nachwuchs
Die Alten verabschieden sich in den Ruhestand, die Jungen in die große weite Welt: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein warnt vor einer immer größer werdenden Lücke der hausärztlichen Versorgung. Bis 2020 werden in NRW zwischen 25 bis 30 Prozent aller Hausärzte altersbedingt wegfallen. Um diese Lücke zu schließen, so rechnet Uwe Brock von der Ärztekammer Nordrhein vor, müssten in unserer Region pro Jahr 240 neue Hausärzte anfangen. Zuletzt machten aber nur 107 die entsprechende Ausbildung. Brock. „Das bekommen auch die Patienten in Oberhausen zu spüren.“
Spüren ja, von einer Unterversorgung könne man in unserer Stadt aber nicht sprechen, so KV-Sprecherin Ruth Bahners. „Selbst wenn alle derzeit 60-jährigen Hausärzte in Oberhausen altersbedingt ausscheiden und keinen Nachfolger finden würden, es gäbe immer noch ausreichend Ärzte in der Stadt.“ Derzeit gibt es mit 128 niedergelassenen Hausärzten in Oberhausen eher zu viele. 13 Hausärzte weniger und man kann bei gleichbleibender Bevölkerungsgröße von einer hausärztlichen Vollversorgung, also der optimalen Patient-Hausarzt-Relation, sprechen.
Doch auch wenn es nicht zur Unterversorgung kommt, dieses Verhältnis wird sich in den kommenden Jahren deutlich verschlechtern. „Das Problem ist der Nachwuchs. Immer weniger Medizinstudenten sehen im Beruf des Hausarztes eine Perspektive“, konstatiert Dr. Stefan Becker, Vorsitzender der Oberhausener Kreisstelle vom Hausärzteverband Nordrhein. Laut einer Studie der Ruhr-Universität in Bochum wollen nur 17 Prozent der befragten Medizinstudenten diese Richtung einschlagen. Die hiesigen Hausärzte versuchen zwar den Nachwuchs mit besonderen Ausbildungsangeboten an sich zu binden, „doch bei den vielen Reformen und Änderungen, die das Gesundheitssystem uns Hausärzten in den vergangenen Jahren beschert hat“, so Dr. Becker, „ist es verständlich, dass die Studenten verunsichert sind.“
„Weil man nicht weiß, unter welchen Umständen Hausärzte in zehn Jahren arbeiten werden. Es gibt keine klare Linie in der Politik“, bestätigt Sebastian Griesau. Der 26-jährige Medizinstudent steht kurz vor seinem Staatsexamen. Als Hausarzt eine eigene Praxis zu übernehmen, das ist für ihn derzeit keine realistische Perspektive: „Das wirtschaftliche Risiko ist viel zu hoch.“ Attraktiver würde der Beruf, wenn sich mit festen Größen, „etwa einem gesicherten Einkommen“ rechnen ließe.
Ein zusätzlicher Faktor, der den tendenziellen Hausärztemangel begünstige, so Dr. Becker: „Die Medizin wird immer weiblicher.“ Derzeit sind rund 70 Prozent der Medizinstudenten Frauen. „Viele von ihnen bevorzugen es aus privaten Gründen, im Angestelltenverhältnis zu arbeiten.“ Will heißen: Mit der eigenen Praxis könnte es sich schwieriger gestalten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Was die Situation zusätzlich verschärft: Ein großer Teil der frisch gebackenen Mediziner Deutschlands will nach Ende der Ausbildung ins Ausland gehen: In einer Umfrage der Ruhr-Universität Bochum haben über 70 Prozent der Befragten angegeben, über eine Zukunft in einem anderen Land nachzudenken – am häufigsten wurde Skandinavien genannt, gefolgt von der Schweiz, England und Österreich.
Gleiches Geld für gleiche Leistung: Klage gegen den KV-Bundesverband
Im KV-Bezirk Nordrhein bekommt ein Hausarzt pro Kassenpatient und Quartal derzeit unter 32 Euro – egal, wie oft der Patient in die Praxis kommt. Hätte sich der gleiche Arzt in Thüringen niedergelassen, würde er 44,55 Euro kassieren. „Das hat historische und willkürliche Gründe“, sagt Bahners von der KV Nordrhein. Die Vereinigung hat gegen ihren Bundesverband Klage wegen dieser ungleichen Bezahlung gleicher Leistungen eingereicht. „Die Einsicht ist da: 2011 bekommt der Bezirk 120 Millionen Euro mehr.“