Nach fast 30 Jahren Bibliotheksleitung verabschiedet sich Dr. Ronald Schneider in den Ruhestand. WAZ-Redakteurin Gudrun Mattern sprach mit ihm über die Vergangenheit und neue Pläne.

Wie kam es, dass Sie, 1980 wissenschaftlicher Assistent an der Uni in Münster, sich die Bibliotheksleitung in Oberhauen zutrauten?

Schneider: Als Sozialdemokrat an einem schwarzen Institut gab es Schwierigkeiten mit für das Habilitationsverfahren zuständigen Professoren. Der damalige Kulturamtsleiter, Horst Wunderlich, wusste, dass ich mich verändern wollte. Ich bereitete mich intensiv auf die Bewerbung vor, reichte Konzepte für moderne Bibliotheksarbeit und Kulturarbeit in einer Arbeiterstadt ein.

Was fanden Sie vor?

Die WAZ schrieb damals, dem neuen Mann aus Münster werde die Kreativität des Mangels abverlangt, und das blieb das Generalthema der 30 Jahre, die folgen sollten. Es war meine Aufgabe, alles zu modernisieren. Es gab eine Zentrale und eine Zweigstelle in Osterfeld. Ich erlebte die Einweihung des ersten Bücherbusses, eines Uralt-Modells. 1985 erfolgte der Umzug ins Bert Brecht Haus. Dort war es zwar auch viel zu beengt, aber moderner. Geldknappheit war es geschuldet, dass wir in die erste Etage zogen, gut versteckt fürs Publikum, denn unten sollten Läden sein.

Wie arbeiteten Sie ohne Bibliotheksausbildung?

Ich hatte Erfahrung im wissenschaftlichen Bibliothekswesen, ins öffentliche musste ich mich einarbeiten. Die Befähigung für den höheren Bibliotheksdienst habe ich nachgeholt, wurde 1982 Bibliotheksrat und bin später zum Bibliotheksdirektor befördert worden.

Was waren wichtige Erfolge?

In Schmachtendorf und Sterkrade sind Zweigstellen eröffnet worden. Die Ausleihzahlen überschritten die Millionengrenze. Es ist gelungen, die Besucherzahlen zu verdoppeln. In den 80er Jahren waren Modernisierung der Zentrale und die Zweigstellen Hauptthema. In den 90ern standen die Schulbüchereien im Mittelpunkt, der Ausbau der schulbibliothekarischen Arbeitsstelle. Für die Bücherei-Ausstattung der Schulen wurde ein Entwicklungsplan aufgestellt. Das ist jetzt 15 Jahre her. Unser großes Plus als Bibliothek ist, dass Kinder, die zu uns kommen, schon wissen, was eine Bibliothek ist. Besonders stolz in ich darauf, dass es trotz der Haushalts-Konsolidierung 2008 gelang, die Zweigstellen zu halten.

Und darauf, dass das Bert-Brecht-Haus nun endlich doch umgebaut wird?

Dafür habe ich zwölf Jahre gekämpft und 2003 schon fast gewonnen. Der Rat hatte dafür gestimmt, der Oberbürgermeister schon unterschrieben. Der Regierungspräsident hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das hat uns alle total deprimiert. Aber ich habe nie aufgehört, dafür zu werben. Das hat etwas mit meiner Ausdauer zu tun. Ohne langen Atem kann man hier nichts erreichen. Es hat mir vielleicht geholfen, dass ich ein Langstrecken-Läufer bin und diese Laufbahn 2005 mit dem Ruhrmarathon krönte, den ich mit einer respektablen Zeit (viereinhalb Stunden) abschloss.

Wie gestalteten Sie die Kulturarbeit?

Durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie dem Theater. Es hat spektakuläre Aktionen gegeben wie den Heine-Abend, der ja eine mobile Veranstaltung war. Die Literaturnächte waren unheimlich gelungen und spektakulär. Schon in den 90er Jahren gab es Literatur-Abende im Ebertbad, wir organisierten Internationale Jugendbuchtage. Der Oberhausener Literaturpreis – er sollte zunächst ein einmaliges Ereignis sein – war eine Erfolgsgeschichte. Inzwischen gab es die fünfte Auflage. Der nächste Wettbewerb findet 2012 statt. Ich war immer Mitglied der Jury und werde es auch bleiben.

Literatur-Kritik ist ja ohnehin Ihr Ding?

Der Umgang mit Büchern heißt für mich auch immer, über Literatur zu schreiben. Pro Jahr gibt es 90 000 Neuerscheinungen und -auflagen. Sie wollen gesichtet werden, etwa 13 000 kommen für die Bibliothek in Frage. Wir schaffen 7 000 Titel pro Jahr an, ca 20 000 Medien, 10 000 für die Schulbibliotheken. Doch fast ebenso viele werden jährlich aussortiert. Zehn Jahre ist die maximale Verweildauer für ein Buch in der Bibliothek. Ich habe 8 000 Bücher und auch Hörbücher besprochen, habe mich dabei auf Literaturwissenschaft und deutsche Gegenwartsliteratur spezialisiert. Dabei bin ich sehr kritisch, bei mir fällt vieles durch.

Was werden Sie in Zukunft tun?

Ich werde wieder studieren und mir einen Hund anschaffen, einen Rauhaardackel als Alterstrost. Das war schon immer mein Wunsch. Es wird ein Neuanfang, auch privat.

Es reizt Sie nicht, es auch einmal mit einem Roman zu versuchen?

Nein. Zwar habe ich Kurse zum kreativen Schreiben gegeben, aber ich sage: Schneider, bleib’ bei deinem Garn. Meine Sache ist es, über gute Literatur zu schreiben und nicht, schlechte zu produzieren.