Sabine hat, um es mal etwas unfein auszudrücken, die Arschkarte gezogen. Die Dame muss präsentieren, was passiert, wenn ein Busfahrer voll in die Bremsen steigt und sich ein im Bus stehender Fahrgast nicht richtig festhält.
Nämlich das: Sabine kippt um und schießt durch den Mittelgang.
Zum Glück ist Sabine bloß eine blaue Tonne. Ein Demonstrationsobjekt der Stoag, das am Dienstag mal wieder zum Einsatz kommt. Diesmal als Akteur für ältere Mitbürger. „Senioren als Busfahrer: Mit Sicherheit mobil“ ist das Motto eines Pilotprojektes von Stoag, Polizei und der Verkehrswacht Oberhausen für Senioren der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Zum ersten Mal können ältere Menschen dabei in Theorie und Praxis lernen, wie man den Öffentlichen-Personen-Nahverkehr (ÖPNV) nutzt, ohne auf vielfältige Art und Weise unter die Räder zu kommen.
„Die Theorie haben wir in der vergangenen Woche schon hinter uns gebracht“, erzählt Dieter Elsenrath-Junghans, Vorsitzender der Verkehrswacht Oberhausen. „Mit Kaffee und Kuchen“, sagt er noch. Aber heute geht es ans Eingemachte. Da haben rund zwölf ältere Damen und Herren im Bus Platz genommen. Regie führen bei dieser ÖPNV-Abenteuerfahrt Verkehrssicherheitsberater Willi Taubner und Stoag-Fahrdienstmanager Andreas Hachenberg. Hachenberg sitzt hinter dem Steuer des Busses. „Ich habe selbst 13 Jahre als Busfahrer gearbeitet“, erzählt er. Deshalb kann der Profi bei einem neuerlichen Auftritt Sabines auch gut demonstrieren, dass an den Bordsteinen der Haltestellen Vorsicht geboten ist. Wenn ein Busfahrer, etwa weil ein Autos schlecht geparkt hat, im spitzen Winkel an die Haltestelle heranfahren muss, schwenken Vorderteil oder Heck des Busses so weit über den Bordstein, „dass ihnen, wenn sie gerade dort stehen, die Beine eingeklemmt und gebrochen werden können“, sagt Taubner zu den Senioren. Glücklicherweise ist es diesmal nur Sabine, die neuerlich umkippen muss. Und da Tonnen keine Beine haben, passiert ihr auch nichts weiter.
Und noch mal muss die blaue Tonne ihren Bauch hinhalten. Taubner: „Laufen sie nie schnell noch mal eben vor einem Bus über die Straße.“ Zwölf Tonnen wiegt so ein Koloss. „Wenn der einen Menschen anschubst, merkt der Fahrer das gar nicht“, sagt Taubner. Und schon steuert Hachenberg seinen Bus Richtung Sabine, die unvernünftiger Weise auf der Straße steht, streift die Tonne. Die wiederum wird mit einem Wusch zur Seite gefegt.
Die Senioren lernen an diesem Nachmittag eine Menge. Ganz viel auch zum Thema Stürze, weil die die häufigste Unfallursache in Bussen und Straßenbahnen darstellen. Nicht stehen, sitzen ist also immer besser. „Drücken sie rechtzeitig den Halteknopf, wenn sie aussteigen möchten“, rät Taubner. Dann sollte man besser sitzen bleiben, bis der Bus gehalten hat. „Rufen sie dem Busfahrer notfalls zu, dass sie noch aussteigen müssen“, so Taubner.
Ach ja, auf ihrem Rollator sollten Senioren aber besser nicht Platz nehmen. „Ich hab den Rollator mal in Fahrtrichtung abgestellt“, erzählt eine Dame prompt, „dann hat der Bus gebremst, was meinen sie, wie der Rollator abging.“ Es ist auch diese Seniorin, die sagt: „Ich habe keine schlechten Erfahrungen mit Jugendlichen gemacht.“ Manche haben das schon. „Ich hab auch bezahlt“, sagte ein jungen Mann, der für einen alten Herrn nicht aufstehen wollte. Taubner rät dann auch noch zu gegenseitiger Höflichkeit. Auch alte Leute können ja manchmal harsch ihr Recht einfordern. Und, so Taubner zu seinen Zuhörern: „Wenn im Bus genügend Plätze frei sind, müssen sie nicht unbedingt darauf pochen, auf denen für Behinderte sitzen zu dürfen.“