Oberhausen. .
„Sehnsucht“, die dritte Eigenproduktion des Oberhausener Ebertbades, thematisiert das Leben als eine Reise nach Irgendwo. Mit dabei: Stephanie Überall und Gerburg Jahnke von den Missfits.
Mit 17 hat man noch Träume, mit 50 plus plus plus auch. Und ob Frau nun zur ZWR-Gruppe, zwischen Arbeit und Rente, gehört oder als Praktikantin beim Frauenarzt alles klar macht, in Wahrheit aber nach dem Weg zum Himmel sucht — das Ziel erreicht hat noch keine.
„Sehnsucht“, die mit Spannung erwartete dritte Eigenproduktion des Ebertbads, thematisiert das Leben als eine Reise nach Irgendwo. Um es gleich zu sagen: Sie macht das ausgezeichnet, leidenschaftlich, frech, witzig, spritzig, hintersinnig, sehr musikalisch, einfach gut!
Wie kriegt man vier extrem eigenwillige Charaktere unter einen Hut? Wie gelingt es, sie dazu zu bringen, das Ensemble über die jeweils durchaus vorhandene Möglichkeit zu stellen, sich selbst in den Vordergrund zu spielen oder zu singen, wenn Typen wie Stephanie Überall als Frau Zänker (57), Carmela De Feo als Frau Schmitt (35), Constanze Jung als Frau Wollmann (45) und Nito Torres als Frau Chayenne (17) als Quartett die Herzen der Zuschauer erobern sollen? Man erarbeitet gemeinsam eine Geschichte durch Improvisation und lässt jedem der Darsteller Raum und Freiheit, das Drehbuch mit zu formen. Glückwunsch an die Regisseurin Gerburg Jahnke, dieses Experiment ist gelungen!
Ein gelungener Kontrast
Doch schau’n wir mal rein: Schon der Anblick von Torres haut um. Er trägt lange, rote Haare, kurzen Jeansrock, Strumpfhose, Absatzschuhe. Doch wie er so dasteht und erzählt, dass die anderen ja lieber „irgendwas mit Medien“ machen, als mit Teststreifen Urinproben zu kontrollieren, klingen seine Haltung und Gestik schon sehr stark nach Mädchen. Das wird er im Verlauf des Abends noch perfektionieren.
„Immer zu spät und knapp vorbei“ ist in Frau Schmitts Leben alles gelaufen. Jetzt weiß sie nicht, ob sie schwanger ist. Carmela de Feo gibt sie überzeugend als typische Ruhrpottlerin mit „Wohnwagen, der meine kleine Freiheit ist“. Die wird sie mit den drei anderen Frauen zu einem späteren Zeitpunkt noch gemeinsam genießen. Doch bis es dazu kommt, muss noch einiges passieren, denn die Patientin die vor ihr dran ist, heißt Frau Zänker. Einmal im Jahr ist sie hier „zur Inspektion“ und als mitwartende Patientin vor und nach der Untersuchung — Sie ahnten es schon — ein hartes Kaliber. In der Rolle dieser 57-Jährigen steif-trockenen Person mit Rückenleiden und unerwünscht bei ihr zu Hause eingeschneitem Liebhaber gelingt Stephanie Überall ein glänzendes Comeback. Sie läuft zur Höchstform auf. Oder hatten wir schon vergessen, wie wunderbar ihr die Rollen der schrulligen älteren Damen stehen?
Ein gelungener Kontrast zu den Heimspielern unserer Region ist die Besetzung der Rolle der Geschäftsfrau Wollmann, wohlhabend, erfolgreich, unglücklich aber schön, mit Constanze Jung, die nicht nur mit badischem Dialekt auffällt, sondern vor allem mit wunderbarer Singstimme überzeugt.
Fotos von der „Sehnsucht“-Generalprobe gibt es hier.